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Echte Entlastungen bei Rekordinflation schaffen

13.10.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Inflation galoppiert in Deutschland. Lebensmittel werden ebenso überdurchschnittlich stark teurer wie Brennstoffe und Elektrizität. Viele Bürger wissen nicht, wie sie die Endabrechnung ihrer Versorger im Januar bezahlen können. Vor diesem Hintergrund wirkt die Einführung einer flächendeckenden Nutznießerfinanzierung kaum realistisch und wird wohl auf absehbare Zeit keine politische Mehrheit finden.

Natürlich ist die Idee für sich genommen interessant. Wenn man schon keinen kostenlosen ÖPNV anbieten kann, dann zumindest einen fahrscheinfreien ÖPNV oder einen Fahrschein, den jedermann bezahlen muss, ob er ihn nutzt oder nicht. So kann man neue Kundengruppen akquirieren, umgekehrt aber auch dafür sorgen, dass verlässlich das Geld fließt. Wer sein Monatsticket gekündigt hat, weil er seit Corona nur noch dreimal im Monat statt jeden Tag ins Büro muss, müsste dann dennoch sein Monatsticket bezahlen oder mit höheren Parkgebühren rechnen.

Doch der VRS-Vorschlag geht dennoch an der politischen Realität vorbei. Wir diskutieren dieser Tage überall über Entlastungen und das auch zurecht. Was ist eine Schuldenbremse im Grundgesetz wert, wenn wir die Wirtschaft vor die Wand fahren, wenn zahlreiche Unternehmen aufhören zu existieren und das Leben selbst für Normalverdiener unerschwinglich wird? Tatsächlich hat man ja bereits einen konkreten Vorschlag für eine Nachfolgeregelung des Neun-Euro-Tickets auf dem Tisch liegen.

Der VDV hat ein Modell durchgerechnet, wonach das landesweit gültige Monatsticket 49 Euro und das bundesweit gültige Monatsticket 69 Euro kosten soll. Das hätte man schon beim Ende des Neun-Euro-Tickets am 1. September hätte einführen können und aktuell möchte die Ampelkoalition das mit Wirkung zum 1. Januar haben. Es scheitert dieser Tage ausschließlich an der Verweigerungshaltung der Landesregierungen, sich finanziell zu beteiligen.

Das wäre eine echte Revolution der Eisenbahnpolitik der letzten Jahrzehnte: Statt immer höhere Fahrpreise zu verlangen wäre das eine ernsthafte und langfristige Entlastung für alle. Das geht nur gesamtstaatlich und droht komplett zu scheitern, wenn die Länder nicht mitgehen. Ist eine dauerhafte Verweigerung der Länder ein realistisches Szenario? Gerade in Nordrhein-Westfalen muss man aus der praktischen Erfahrung sagen: Ja, das ist es. Selbst in Zeiten, in denen das Landesverfassungsgericht die Landeshaushalte einkassiert hat, weil man eine hemmungslose Nettokreditaufnahme hatte, spielten frühere Landesregierungen bei der Eisenbahn immer den Sparkommissar.

Auch der jetzige Landesverkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) steht schon nach wenigen Wochen im Amt in der Tradition früherer Verantwortungsträger, die zwar das blaue vom Himmel versprechen, aber nur wenn der Bund alles bezahlt. Anstatt sich also mit rein theoretischen Konstrukten zu befassen sollten wir alle darauf einwirken, dass eine dauerhafte Entlastung im neuen Jahr kommt. Hier sind alle 16 Landesregierungen gefragt, die Ampel auf Grün zu stellen und die Bürger zu entlasten.

Siehe auch: VRS schlägt Nutznießerfinanzierung vor
Foto: Kölner Verkehrsbetriebe AG / Christoph Seelbach

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