Die Voraussetzungen für den Erhalt schaffen
04.10.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Die wichtigste Forderung ist die nach einem Moratorium für Entwidmungen von Eisenbahnstrecken. Diese sollte komplett gestoppt werden, um nicht noch mehr Infrastruktur zu zerstören. Dass der Gesetzgeber seit Beginn der Eisenbahnreform am 1. Januar 1994 eine Unterscheidung zwischen Stilllegung und Entwidmung eingeführt hat, ist ein wichtiger Faktor zum Schutz potentiell nützlicher Eisenbahninfrastruktur. Auch dass über Stilllegungen und Entwidmungen das Eisenbahnbundesamt entscheidet und nicht mehr die DB AG selbst, ist eine wichtige Regelung, die es auch zu nutzen gilt.
Es gab Zeiten, da hat das Eisenbahnbundesamt so eine Strecke am Tag des letzten planmäßigen Zuges stillgelegt und auch entwidmet. Das war unter Hartmut Mehdorn gang und gäbe, als man börsenfähig werden wollte. Wenn man jetzt ein Moratorium für Entwidmungen macht heißt das, dass man zunächst einmal Zeit gewinnt. In dieser Zeit kann man die gesetzlichen Regelungen dahingehend ändern, dass man zwischen Stilllegung und Entwidmung eine zeitliche Distanz verlangt. Dann kann eine Strecke eben erst einige Jahre nach der Stilllegung entwidmet werden.
Idealerweise könnte das so aussehen: Fünf Jahre nachdem der letzte Zug gefahren ist, kann eine Strecke stillgelegt werden und zehn Jahre nach der Stilllegung kann die Entwidmung erfolgen. Das sorgt effektiv dafür, dass Unternehmensverantwortliche, auch bei den Infrastruktursparten der DB AG, die an kurzfristigen Verkaufserlösen Innenstadtliegenschaften interessiert sind, ihr Ziel nicht erreichen könnten, weil die Entwidmung erst nach langer Zeit erfolgen kann.
Ein Verkauf von gewidmetem Eisenbahnland ist natürlich auch möglich, wird aber kaum Verkaufserlöse bringen, weil jeder Eigentümer, der gewidmetes Eisenbahnland kauft, genau weiß, dass er es zur Verfügung stellen muss, sobald jemand dieses Areal zu Eisenbahnzwecken nutzen möchte. Unter Umständen kann das durchaus bedeuten, dass der Baumarkt, der auf dem nicht entwidmeten ehemaligen Rangierfeld neben dem Bahnhof errichtet worden ist, wieder abgerissen werden muss, wenn etwa ein Eisenbahnverkehrsunternehmen dieses Areal zur Errichtung einer Eisenbahnwerkstatt nutzen möchte.
Der Eigentümer, ganz gleich wer es ist, wäre dann verpflichtet, es für Eisenbahnzwecke zu nutzen. Salopp gesagt: All das, was der VDV und die Allianz pro Schiene hier richtigerweise fordern, ist nach geltendem Recht bereits möglich bzw. das geltende Recht sieht solche Möglichkeiten vor. Man muss es nur umsetzen und hier sind die Eisenbahnvertreter gefragt, sowohl das Gespräch mit den Parteien der Ampelkoalition als auch mit den Oppositionsparteien zu suchen.
Denn gerade die erfolgreiche Eisenbahnpolitik wird vor Ort gemacht, hier kann ein Wahlkreisabgeordneter aus dem Bundestag oder dem Landtag mit einem Bürgermeister deutlich mehr bewirken als ein Verkehrsminister. Aber es ist Sache des Bundes, hier Rahmenbedingungen zu setzen, die nicht mehr auf schnellen Erlös, sondern vor Ort auf eine starke Schiene setzen.
Siehe auch: Verbände legen Reaktivierungsvorschläge vor
Foto: akos147