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Bund und Länder sind gefordert

17.10.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Manch einer sitzt vielleicht in einem vollen Zug und denkt sich: Hier sind keine Abbestellungen möglich, der Zug ist ja viel zu voll. Das geht doch gar nicht. Aber leider geht es doch, nämlich in dem Moment, in dem die Kostensteigerungen bei der Energie und auch die generell teurer werdenden Verkehrsverträge dafür sorgen, dass man die jetzige Zahl der Zugkilometer nicht mehr finanzieren kann. Dann muss abbestellt werden und schlimmstenfalls kann das auch richtig hart werden.

Was machen Pendler, wenn der Zug nicht mehr alle halbe Stunde, sondern nur noch alle zwei Stunden fährt? Einige fahren mit dem Auto. Andere, so hart es klingt, haben keine Alternative und fahren dann vielleicht überhaupt nicht mehr. Und der Student aus einem nicht wohlhabenden Elternhaus muss sich dann schlimmstenfalls eine Lehrstelle im Ort suchen und das Studium abbrechen, weil er nicht mehr die Möglichkeit hat, in Mainz, Trier, Kaiserslautern, Speyer oder Koblenz so ohne weiteres mit der Eisenbahn die Universität zu erreichen.

Klingt das übertrieben? Man weiß es nicht, die letzten bekannten Daten gehen von erheblichen Ausgaberesten bei den Regionalisierungsgeldern aus. Wir wissen aber auch, dass die steigenden Kosten massiv zuschlagen. Wobei sich die beiden Aufgabenträger in Rheinland-Pfalz auch fragen müssen, ob es reicht, einseitige Forderungen an den Bund zu stellen und ob nicht auch die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz in der Pflicht ist, ihren Haushaltsanteil für eine auskömmliche Finanzierung der Schiene beizusteuern.

Als im Jahr 2007 die Umsatzsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht wurde, haben die Länder einen Teil der Mehreinnahmen gekriegt als Ausgleich für die damals gesenkten Regionalisierungsgelder. Obwohl es inzwischen wieder mehr Mittel vom Bund gibt, fließen die zusätzliche Einnahmen aus der Umsatzsteuer weiter an die Länder, noch immer als Ausgleich für einen damaligen Verzicht auf die Regionalisierungsgelder.

Das ist übrigens auch so eine Sache: Vielfach erzählen Landespolitiker den Leuten ja, der Bund könne einseitig die Höhe der Regionalisierungsgelder bestimmen und wenn der Bund entscheide, dass es ab morgen weniger Geld gibt, dann ist das eben so. Das stimmt aber nicht. Das Regionalisierungsgesetz betrifft die Länder ebenso wie den Bund und muss daher auch im Bundesrat verabschiedet werden, um Gültigkeit zu erlangen. Jede Senkung der Vergangenheit ist immer mit Zustimmung der Länder erfolgt.

Und gerade jetzt, wo es wohl kaum ein Szenario gibt, bei dem eine unterauskömmlich finanzierte Eisenbahn realistisch erscheint, darf die Eisenbahnbranche nicht den Fehler machen, wie in der Vergangenheit, einseitig Partei für die Länder zu ergreifen und deren weitgehende Verweigerungshaltung zu unterstützen, auch nicht in Rheinland-Pfalz. Die Eisenbahnbranche muss darauf hinweisen, dass wir es mit einer gesamtstaatlichen Aufgabe zu tun haben, dass die Länder ebenso in der Verantwortung stehen wie der Bund. Damit man auf der Schiene auch morgen und übermorgen noch verlässliche Mobilitätsverfügbarkeit für jedermann gewährleisten kann.

Siehe auch: Rheinland-Pfalz: Sorge um Angebotsqualität
Foto: Deutsche Bahn AG / Georg Wagner

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