Keine Verweigerungshaltung der Länder akzeptieren
08.09.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Ist es ein ernsthaftes Szenario, dass ein bundesweites Ticket, wie der VDV es vorgeschlagen hat (49 Euro pro Monat für landesweite und 69 Euro pro Monat für bundesweite Gültigkeit) an der Verweigerungshaltung der Landesregierungen scheitert? Allen praktischen Erfahrungen zufolge ist das nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich.
„Wenn der Bund das haben will, muss der Bund das finanzieren“ wird ein namentlich nicht genannter Sprecher des bayrischen Verkehrsministeriums im Bayrischen Rundfunk zitiert. Dabei kann man eine ernsthafte und dauerhafte Entlastung, die über den Schnellschuss des Neun-Euro-Tickets hinausgeht, nicht allein durch den Bund finanzieren lassen, sondern hier haben wir es mit einer gesamtstaatlichen Aufgabe zu tun.
Seit Jahrzehnten ist das gesamte Konzept der Eisenbahn- und ÖPNV-Branche auf immer weiter steigenden Kostendeckungsgraden aufgebaut. Man hat (vermeintliche) Erfolge erzielt und sie von den Nutzern finanzieren lassen. Nehmen wir ein Beispiel: Wer jeden Tag von Altena nach Siegen pendelt, der zahlt für sein Monatsticket im Westfalentarif 303,90 Euro. Ließe sich das nicht nur mal für einen Sommer auf neun Euro senken, sondern dauerhaft auf 49 Euro, wäre das eine spürbare und massive Entlastung für jemanden, der jeden Tag hart arbeitet und mit seinen Steuern und Abgaben auch öffentliche Verkehrsmittel mitfinanziert.
Man kann solche Monatspreise für alle möglichen Relationen aufstellen, in denen Berufspendler unterwegs sind, das würde den Rahmen sprengen. Was man weiß: Zugfahren ist teuer, gerade wenn man mehr als ein oder zwei Stadtgrenzen überquert. Aber auch die einzelne Fahrt kann sehr teuer sein. Für viele, die ohnehin ein Auto vorhalten (müssen), die also die Fixkosten dort nicht einfach senken können, ist auch die gelegentliche Fahrt mit dem Zug daher unwirtschaftlich und kommt nicht in Frage.
Deshalb ist der Ansatz, jetzt dauerhaft stark verbilligte Fahrscheine anzubieten, vielleicht auch ein im urbanen Raum gültiges 365-Euro-Ticket, so vernünftig. Gleichzeitig muss man aber auch sicherstellen, dass die knappen Kapazitäten in den Zügen nicht besetzt werden von Spaßfahrern, die das billige Ticket nutzen, um Party auf Sylt, in Berlin oder am Alpenrand zu machen.
Für solche Leute gibt es ja bereits ein Quer-durchs-Land-Ticket oder auch Ländertickets, die jedoch teuer genug sind, um komplett nutzlose Fahrten nicht zu machen. Denn natürlich ist der Fahrpreis immer auch eine Schutzgebühr, die sicherstellen soll, dass die Züge nicht überfüllt sind mit Leuten, die keinen ernsthaften Grund haben zu fahren.
Dennoch sollte es gerade angesichts der fortschreitenden Energiekrise und der galoppierenden Inflation ein gutes Ziel sein, Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel effektiv zu entlasten – und zwar dauerhaft, also auch mit einer mehrjährigen Preisgarantie, dass es auch 2024 oder 2025 noch 49 bzw. 69 Euro im Monat kostet. Das ist ein zentraler Baustein, um öffentliche Verkehrsmittel für Leute attraktiver zu machen, die jetzt noch mit dem Auto fahren.
Siehe auch: Neue Fahrpreisreduzierungen geplant
Foto: YanceTAY