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Die Energiekrise in der Eisenbahnkrise

01.09.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist ein Thema, dem müssen wir uns stellen, auch wenn es nicht in das Narrativ der starken Schiene und der in acht Jahren zu verdoppelten Fahrgastzahlen passt: Wir wollen Kohlekraftwerke wieder ans Netz nehmen oder auch länger laufen lassen und damit das passieren kann, müssen die Anlagen mit Brennstoffen versorgt werden. Das funktioniert auch über die Binnengewässer, aber vor allem über die Schiene.

Hierfür ist die Eisenbahn von unerlässlicher Wichtigkeit und ein Kraftwerk ohne eigenen Schienenanschluss wäre kaum denkbar, ganz gleich was dort konkret verfeuert wird. Bei Erdgas kann man mit Pipelines arbeiten, aber gerade das Erdgas ist ja nun knapp und soll nicht mehr zur Verstromung herangezogen werden. Jetzt erleben wir aber nicht nur eine Energiekrise, sondern auch eine Eisenbahnkrise.

Ich muss das an dieser Stelle so hart sagen, aber anders kann man es nicht formulieren: Überall in Deutschland fehlt es an Personal, nicht selten sind Eisenbahnstrecken gerade in den Nachtstunden nicht befahrbar, weil es nicht mehr genügend Fahrdienstleiter für die Stellwerke gibt. Das ist aber insbesondere für den Güterverkehr ein Problem, der die wenigen Stunden in der Nacht braucht, um nicht durch den Personenverkehr immer wieder aufgehalten zu werden.

Natürlich weiß ich, dass es auch Güterzüge gibt, die mehrere tausend Kilometer Laufweg haben. Aber zum einen kommen auch die in der Nacht besonders gut voran, zum anderen sprechen wir von Kohlezügen, die oft „nur“ von den Binnenhäfen zu den Kraftwerken fahren und das durchaus in einer Nacht über die Bühne zu bringen wäre. Aber gerade wenn die Infrastruktur in der Nacht nicht oder nicht mehr verlässlich zur Verfügung steht, muss man hier zusätzliche Züge in die Betriebszeiten des Personenverkehrs verlegen.

Da ist es nur recht und billig, dass man Energiezügen dann absolute Priorität einräumt, denn wenn die Kraftwerke keine Brennstoffe mehr kriegen, dann gehen nicht nur die Lichter aus, sondern schlimmstenfalls drohen sogar Probleme auf der Schiene, weil in den Oberleitungen nicht mehr ausreichend elektrische Spannung vorhanden sein könnte. Wenn man also nicht so handelt, wie es jetzt getan wurde, drohen sich selbst verstärkende Negativeffekte.

Dazu kommt, dass die Eisenbahn auch für Güterkunden mit viel Mühe vom Ruf weggekommen ist, unzuverlässig zu sein. Knapp dreißig Jahre nach der Eisenbahnreform aber haben wir wieder Zustände, in denen genau diese Reputation der letzten Jahrzehnte verloren gehen kann. Das sollte um jeden Preis vermieden werden.

Deshalb ist es jetzt so wichtig, unabhängig von der Energiekrise, sich mit der Lösung der Eisenbahnkrise zu beschäftigen: Leute einstellen wo immer es geht lautet das Zauberwort. Befristet muss man auf freiwillige, aber gut bezahlte Überstunden setzen und verstärkt den Kontakt mit Schulen, Transfergesellschaften aber auch dem Berufsförderungswerk der Bundeswehr suchen. Wir brauchen Eisenbahner und die Personalakquise ist der Schlüssel zur Lösung der Eisenbahnkrise dieser Tage.

Siehe auch: Vorrang für Brennstofftransporte
Foto: Deutsche Bahn AG / Wolfgang Klee

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