PwC-Analyse zu kommunalen Seilbahnen
22.08.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Seilbahnen können eine sinnvolle Ergänzung zum konventionellen ÖPNV im urbanen Raum sein. Das gilt umso mehr, weil das Bundesverkehrsministerium Seilbahnen seit 2020 dem förderfähigen Teil des ÖPNV zurechnet. In einer neu erschienenen Studie beschreibt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) Deutschland die potenziellen Nutzen von Seilbahnen als Verkehrsmittel sowie in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht.
Schon seit dem 15. Jahrhundert halfen an Seilen befestigte Körbe den Menschen über Flüsse und Schluchten hinweg. Im 20. Jahrhundert waren Seilbahnen vorwiegend touristische Attraktionen, bevor sie zur Jahrtausendwende immer häufiger als städtisches Verkehrsmittel zum Einsatz kamen, vor allem in Südamerika und Asien. Nun geraten sie wieder zunehmend in den Fokus von Stadtplanern, bieten sie doch gegenüber anderen Verkehrsmitteln sowie technisch und wirtschaftlich zahlreiche Vorteile. Dies gilt vor allem für Luftseilbahnen bzw. Seilschwebebahnen gegenüber Standseilbahnen, die eher Zahnradbahnen ähneln.
Maximilian Rohs, Senior Manager Infrastructure & Mobility bei PwC Deutschland, sagt: „Luftseilbahnen haben eine hohe maximale Taktdichte, die Unfallwahrscheinlichkeit ist sehr gering, was sie zu einem sehr pünktlichen Verkehrsmittel macht.“ Seilbahnen transportieren rund 6000 Fahrgäste pro Stunde. Das entspricht etwa einer Metro.
Demgegenüber können Straßenbahnen etwa 2000 bis 3000 Personen pro Stunde bewegen, Busse 600 bis tausend. Seilbahnen fahren allerdings recht langsam und eignen sich daher eher schlecht für längere Strecken. Außerdem sind sie recht wetterabhängig und lassen sich beispielsweise bei starkem Wind nicht oder nur eingeschränkt betreiben.
„Ihr größter Vorteil ist sicherlich der geringe Bauaufwand. Tunnel und Brücken sind nicht erforderlich – und sie bieten natürlich ein attraktives Fahrerlebnis“ sagt PwC-Verkehrsexperte Maximilian Rohs. Zentrales technisches Merkmal ist neben dem Seilsystem und der Antriebsart die Kabinengröße bzw. ihr Fassungsvermögen zwischen sechs und 200 Personen. Um mit Seilbahnen den ÖPNV sinnvoll zu ergänzen, sollten die Fahrgäste Fahrräder, Kinderwagen und Rollstühle mitnehmen können.
Wirtschaftlich attraktiv macht die Seilbahn, neben den genannten Vorteilen, die erwähnte Förderrichtlinie. So fördert das Land Nordrhein-Westfalen die Investition beispielsweise mit bis zu neunzig Prozent. Die Kosten für Seilbahnsysteme pro Kilometer betragen etwa zehn bis zwanzig Millionen Euro – etwa so viel wie bei Straßenbahnen. Dadurch, dass kein Betriebshof und keine Signal- und Verkehrsleittechnik erforderlich sind, sind die gesamten Investitionskosten im Verkehrsmittelvergleich gering.
Seilbahnen erfordern zwar ein Planfeststellungsverfahren, doch ist ihre Bauzeit mit nur 12 bis 18 Monaten kurz. U-Bahn-Projekte etwa sind meist erst nach fünf bis zehn Jahren abgeschlossen. Noch größer sind die wirtschaftlichen Vorteile von Seilbahnen bei den Betriebskosten. Maximilian Rohs: „Sowohl die Personalkosten als auch die Energiekosten sind niedriger als bei allen anderen Systemen. Das liegt vor allem am hohen Automatisierungsgrad. Menschen müssen lediglich den Betrieb überwachen.“
Und Seilbahnen verbrauchen relativ wenig Energie: durchschnittlich 5,8 Kilowattstunden (kWh) pro hundert Passagierkilometer; bei U-Bahnen sind es 11,6 kWh, bei Straßenbahnen mit 12,5 kWh mehr als doppelt so viel. Weil Seilbahnen wenig Verschleißteile haben, sind auch die Instandhaltungskosten niedrig. „Müssen jedoch einzelne Komponenten gewartet werden, müssen Betreiber in der Regel das gesamte System zeitweise stoppen“, gibt Maximilian Rohs zu bedenken. Für Seilbahnen sprechen auch Sicherheits- und Umweltaspekte.
Rechnerisch verunfallen Straßenbahnen beispielsweise alle 225.000 Betriebskilometer und Busse alle 616.000 Kilometer. Bei Seilbahnen ist die Unfallwahrscheinlichkeit deutlich geringer – ein Unfall geschieht statistisch lediglich nach rund 17 Millionen Betriebskilometern. Inzwischen gibt es zahlreiche Seilbahnprojekte in ganz Europa, Planung und Umsetzung sind unterschiedlich weit fortgeschritten.
Für Deutschland beispielhaft zu nennen sind Projekte in Koblenz (bisher ohne tarifliche Integration), in Bonn (in Planung), in Stuttgart (Pilottrasse in Planung) sowie Überlegungen in Berlin und Köln. „Ob Seilbahnen, bei allen Vorteilen, das Verkehrsmittel der Wahl sind, lässt sich nur im Einzelfall beantworten“, so Maximilian Rohs.
Siehe auch: Die Seilbahn kann sinnvoll sein