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Neun-Euro-Ticket: Evaluation und Nachfolgeregelungen

08.08.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Neun-Euro-Ticket läuft Ende des Monats aus und eine bundesweite Nachfolgeregelung wird es voraussichtlich nicht geben. Auch eine Verlängerung zumindest bis zum Jahresende wurde zwar diskutiert, wird jedoch Stand jetzt nicht kommen. Dafür läuft aber bereits jetzt die Evaluation auf Hochtouren. Beispiel Hamburg: Im dortigen hvv spart ein durchschnittlicher Zeitkarteninhaber rund 170 Euro im Monat, beim Vollzeit-Abo Hamburg AB sind es sogar mehr als 250 Euro – und das im Monat.

Insbesondere die Metropolen mit ihren gut ausgebauten Systemen des öffentlichen Nahverkehrs profitieren von diesem Angebot. Nach vielfältigen Unterstützungen für Autofahrende gibt es mit dieser Aktion der Bundesregierung endlich auch eine zusätzliche Förderung für den ÖPNV. Die Nutzung des hvv nimmt spürbar zu und hat das Vor-Corona-Niveau übertroffen. Der Anteil der Fahrgäste, die mindestens wöchentlich den ÖPNV nutzen, stieg um sieben Prozent. 54 Prozent der Neun-Euro-Ticket-Besitzer geben an, ihren Pkw seit dem 1. Juni seltener genutzt zu haben; für zwölf Prozent der Fahrten wäre ohne das Neun-Euro-Ticket nicht der hvv, sondern der Pkw genutzt worden. Dies entspricht mehreren Millionen eingesparten Autofahrten pro Monat.

Anjes Tjarks (Grüne), Senator der Hamburger Behörde für Verkehr und Mobilitätswende: „Das Neun-Euro-Ticket ist ein großer Erfolg: Alleine im hvv haben wir 1,8 Millionen dieser Tickets verkauft. Das Neun-Euro-Ticket hat dabei auch gezeigt, dass wir mit einem attraktiven und leicht zugänglichen Angebot viele Menschen zum Wechsel motivieren können: Mehr als die Hälfte der Befragten hat sein Auto tatsächlich häufiger stehen lassen. Ein großer Pluspunkt und auch ein Gewinn an persönlicher Freiheit für jeden einzelnen ist die bundesweite Gültigkeit und digitale Verfügbarkeit dieses Tickets. Man konnte dadurch in ganz Deutschland ohne Kenntnis von Tarif- und Preissystemen einfach in den Nahverkehr einsteigen.“

Deshalb hat man sich an der Waterkant für Nachfolgeregelungen entschieden: Den Anfang macht ein großes Gewinnspiel, bei dem ab sofort 999 Vollzeit-Abonnements für je 9 Euro pro Monat verlost werden. Selbstverständlich können auch hvv-Bestandskunden teilnehmen; die Teilnahme ist bis zum 21. August 2022 möglich. Das „Neun-Euro-Abo“ gilt wie eine Vollzeit-Karte im Abonnement für das hvv-Gesamtnetz (Ringe A-H) und ist gültig vom 1. Oktober 2022 bis 30. September 2023. Ab sofort greift außerdem das Sonderangebot „Profiticket für Neukunden“. Für den Zeitraum vom 1. September 2022 bis 31. Dezember 2022 kostet ein Profiticket dann monatlich 36 Euro (neun Euro pro Woche).

Auch im Verkehrsverbund Rhein-Neckar hat man jetzt Daten. Für den ersten Monat des Aktionszeitraums wurden im VRN 271.382 Neun-Euro-Tickets verkauft, die zu einem Einnahmenvolumen von rund 2,5 Millionen Euro geführt haben. Dem gegenüber steht jedoch ein erheblicher Rückgang im Absatz bei den Fahrausweisen des Gelegenheitsverkehrs, also den Einzelfahrscheinen, den Fünf-Fahrten-Tickets, den Tages-Tickets sowie den Zeitkarten für einen Monat.

Separat betrachtet entstand in diesen Fahrausweissegmenten ein Verlust von rund 6,7 Millionen Euro an Einnahmen, die nicht durch den Absatz der Neun-Euro-Tickets kompensiert werden konnte. Volkhard Malik, VRN-Geschäftsführer, gibt eine erste Einschätzung: „Das Neun-Euro-Ticket ist gemessen an den nun vorliegenden Daten für den Monat Juni noch kein Erfolg für den VRN und entspricht nicht unseren Erwartungen.“

Malik: „Der erhebliche Rückgang bei den Fahrscheinen, die das Neun-Euro-Ticket ersetzt, ist doch deutlich im Vergleich zu den verkauften Neun-Euro-Tickets. Wenn sich in den beiden restlichen Monaten des Aktionszeitraums die Umsatzzahlen des Neun-Euro-Tickets nicht erhöhen, kann man nicht von einem Erfolg des Tickets sprechen, denn dann haben nur die bisherigen Gelegenheitskunden im VRN die Chance ergriffen, mit dem Neun-Euro-Ticket noch billiger und häufiger zu fahren.“

Derweil hat man sich in Nordrhein-Westfalen eine andere Form der Kundenbindung für die kommenden Monate einfallen lassen. Sie gilt für alle Zeitkarteninhaber und besagt, dass jede Zeitkarte am Wochenende sowie abends nach 19 Uhr in ganz Nordrhein-Westfalen Gültigkeit hat und man eine erwachsene Person und bis zu drei Kinder mitnehmen kann. Während der Herbstferien in den ersten beiden Oktoberwochen gelten die Aktionsangebote sogar rund um die Uhr.

Siehe auch: Vernünftige Nachfolgeregelung statt Aktionismus

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