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Dieser Streik sollte vermieden werden

29.08.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Ist es ein realistisches Szenario, dass die Leistungen in den Stuttgarter Netzen nach knapp zwei Jahren in den Händen eines landeseigenen Unternehmens wieder an einen privaten Akteur gehen? Sollte tatsächlich z.B. DB Regio, Netinera oder Transdev ab Dezember kommenden Jahres die ehemaligen Abellio-Leistungen fahren? Sehr realistisch klingt das nicht, denn man ist in Baden-Württemberg ganz gezielt den Weg gegangen, weg vom Wettbewerb und hin zu einer öffentlichen Staatseisenbahn.

Dabei hat man durchaus erkannt, dass ein einzelner Marktakteur, der im Bundeseigentum steht und aus der alten Bundesbahn hervorgegangen ist, gerade nicht die eigene Staatseisenbahn ist, sondern dass man hier ein eigenes Landesunternehmen braucht. Genau das ist die SWEG. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass die GDL den Anspruch hat, in einem solchen Unternehmen Tarifverträge für den gesamten Konzern abzuschließen und nicht nur für ein Unternehmen, das neu hinzugekommen ist und in dem man bereits vorher Tarifpartner war.

Allerdings stellt sich natürlich schon die Frage, wieso denn die GDL bislang ihren Branchentarifvertrag nicht auf die SWEG hat ausweiten können: Gibt es dort etwa kaum GDL-Mitglieder oder war das Unternehmen bislang so klein, dass die GDL-Führung kein Interesse hatte? Natürlich weiß man das nicht, aber bislang hat die GDL eigentlich nie den Eindruck gemacht, dass man an kleineren Landesunternehmen nicht interessiert sei.

Zurecht verweist man darauf, dass es auch bei der AVG rund um Karlsruhe einen GDL-Tarifvertrag gibt. Wenn aber hier wirklich Ver.Di der Tarifpartner sein soll, dann muss sich auch die EVG die Frage gefallen lassen, warum man bislang keine Tarifverträge in einem solchen Unternehmen hatte. Vielleicht könnte das mit einem gewissen inneren Frieden unter dem Dach das DGB in Baden-Württemberg begründet werden, aber merkwürdig erscheint die ganze Sache dennoch.

Wenn aber die SWEG in den kommenden Jahren eine immer größere Rolle im SPNV Südwestdeutschlands spielt, dann wird man um die GDL nicht herumkommen – so wie man in den letzten Jahren mit allen oder nahezu allen relevanten Marktakteuren Tarifverträge abgeschlossen hat. Zumal gerade Baden-Württemberg innerhalb Deutschlands ein Hochlohnland ist, das zudem direkte Grenzen zur Schweiz und nach Frankreich hat, wo also durchaus Unternehmen sitzen, die Interesse daran haben, deutsche Arbeitnehmer einzustellen.

Dazu steht die Eisenbahn in direkter Konkurrenz zu Top-Arbeitgebern wie Bosch, Porsche oder Daimler-Benz. Eisenbahner haben zudem die Möglichkeit, für das gleiche Geld in anderen Bundesländern zu arbeiten, in denen die Lebenshaltungskosten deutlich geringer sind. Gerade daher sollte man in Baden-Württemberg eher versuchen, besonders attraktive Arbeitsbedingungen für heutige und zukünftige Eisenbahner zu schaffen, damit die Schiene auch in den kommenden Jahren noch ausreichend Personal hat anstatt hier im Herbst mit Streiks die Sache eskalieren zu lassen.

Foto: Tarifkonflikt zwischen SWEG und GDL
Foto: SWEG

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