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Busverkehr leidet am Neun-Euro-Ticket

01.08.22 (Fernverkehr, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Bundesverband deutscher Omnibusunternehmen (bdo) hat für den Juni, den ersten Geltungsmonat des Neun-Euro-Tickets, eine Mitgliederbefragung durchgeführt und sieht für seine in der Bustouristik und im Fernlinienverkehr tätigen Unternehmen massive Abwanderungsbewegungen. Demnach verzeichnen 45 Prozent der befragten Touristik-Unternehmen rückläufige Fahrgastzahlen. Bei den Senioren, der Hauptzielgruppe der Bustouristik verzichteten sogar 67 Prozent auf eine Nutzung des beliebten Reisemittels.

Gerade im ländlichen Raum, in welchem der Bus oft das einzige öffentliche Verkehrsmittel darstellt, zeichnet sich damit eine nachteilige Entwicklung ab. Dieser erhebliche Rückgang an Fahrgästen stellt nicht nur die mittelständischen Busunternehmen, die ohnehin durch Corona und gestiegene Energiekosten wirtschaftlich schwer betroffen sind, vor große Herausforderungen, sondern schwächt die Struktur der Mobilität in den ländlichen Räumen insgesamt.

In der Folge sind dann nicht nur Senioren, sondern auch Schüler, Menschen mit Behinderung, Berufspendler ohne eigenen Pkw, Sportvereine und Klassenfahrten massiv betroffen. Und auch die im Fernverkehr tätigen Busunternehmen mussten erhebliche Fahrgastverluste hinnehmen. Alle Teilnehmenden gaben an, dass die Fahrgastzahlen durch das Neun-Euro-Ticket gesunken seien.

Bei über siebzig Prozent der Unternehmen lagen die Verluste sogar bei über sechzig Prozent. Der bdo begrüßt die durch den Neun-Euro-Ticket-Effekt gestiegenen ÖPNV-Fahrgastzahlen, stellt aber gleichzeitig eine Veränderung des Reiseverhaltens auf Kosten der Bustouristik und des Fernbusses fest. Diese Entwicklung war von der Politik weder beabsichtigt noch gewünscht.

Dazu erklärte bdo-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard: „Ziel eines durch Steuermittel finanzierten ÖPNV-Billigtickets kann nicht sein, dass sich ohnehin schon umweltfreundliche Verkehrsmittel gegenseitig Fahrgäste abwerben und hierdurch Wettbewerbsverzerrungen zulasten der Reisebusbranche neu etabliert werden. Die gemeinsame politische Aufgabe muss vielmehr sein, den Individualverkehr mit Pkw zu reduzieren, um endlich die Verkehrswende und den Klimaschutz erfolgreich voranzubringen.“

Deshalb fordert der bdo von der Politik eine politische Nachjustierung und Einbeziehung der mittelständischen Reisebusbranche bei möglichen Nachfolgeregelungen des Neun-Euro-Tickets. Konkret fordert der Verband Wettbewerbsverzerrungen durch die bestehenden unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze zu beheben und für Bus und Bahn gleichermaßen einen einheitlichen reduzierten Satz von sieben Prozent anzuwenden.

Zudem muss die Bundesregierung tragfähige Lösungen für die Mobilität in ländlichen Regionen vorlegen. Ohne den wirksamen Ausgleich der gestiegenen Energie- und Personalkosten werde die Verkehrswende nicht gelingen. Wenn der Bund den SPNV hochgradig subventioniert, müsse auch ein Ausgleich für die Fern- und Reisebusbetreiber her.

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