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Pilotprojekte vor Ort umsetzen

25.07.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Vieles, was da letzte Woche am Berliner Südkreuz vorgestellt wurde ist ja, wenn man den Blick ins europäische Ausland wagt, gar nicht so neu, wie es hier suggeriert wird. Eine App, mit der man diskret die Polizei alarmieren kann, ist z.B. in Großbritannien schon seit Jahren üblich. Noch vor ein paar Jahren wurde die Zughalt-Redaktion für die Anfrage, wann man denn mit so etwas in Deutschland rechnen könne, von einschlägigen Branchenakteuren belächelt. Dabei ist die Idee ja sehr richtig: Man kann nicht diskret mit dem Handy die 110 anrufen und selbst wenn, so stellt sich die Frage, wie der Handyempfang ist.

Darüber hinaus sind zahlreiche Fälle überliefert, wo unter 110 entweder niemand ans Telefon gegangen ist oder aber Anrufer und vor allem Anruferinnen gezielt abgewimmelt worden sind. So gab es z.B. einen Fall einer sexuellen Belästigung in einer Stadtbahn der Kölner Verkehrsbetriebe, wo die gerade belästigte Frau unter 110 von einem Beamten der Kölner Polizei abgewimmelt worden ist. Das gleiche ist auch während der Siegauen-Vergewaltigung in Bonn passiert.

Aber selbst wenn wir davon ausgehen, dass unter 110 immer jemand ans Telefon geht und man im Notfall auch wirklich einen Streifenwagen losschickt, so kann niemand die Polizei anrufen ohne dass anwesende Verbrecher dies merken. Selbst eine in den Zügen befindliche Notrufsäule mit Sprechmöglichkeit zum Triebfahrzeugführer fängt zunächst einmal an, wie wild zu blinken und zu pfeifen, bevor irgendwer in der Lage ist, Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Und möglicherweise lässt sich eine oft kaputtgesparte Polizei eher verleiten, jemanden zu schicken, wenn die Leitstelle eines Verkehrsunternehmens anruft. Ein Ruhmesblatt für die Rechtsstaatlichkeit ist das jedoch gerade nicht.

Eine weitere ebenfalls nicht neue Idee sind Notsignale, die man lautstark versendet oder Signalleuchten am Bahnsteig. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat schon vor Jahren als kleines Mitnahmepräsent (Dinge, die man von Parteien und Gewerkschaften zuhauf bekommt) einen Taschenalarm gehabt: Ein kleines Gerät, deutlich kleiner als ein handelsübliches Smartphone, das auf Knopfdruck zu einer lauten Alarmsirene wird und das gezielt Kriminelle einschüchtern soll. Ob die EVG das noch im Programm hat, weiß ich momentan nicht, auf jeden Fall sind solche kleinen Gerätschaften für alle Fälle sehr hilfreich.

Damit wir uns klar verstehen: All das, was man jetzt plant ist richtig und notwendig. Denn wir wollen ja gerade attraktive Bahnhöfe, die das erste Aushängeschild ihrer jeweiligen Stadt sind. Die Zeiten, dass so ein Hauptbahnhof wahlweise eine öffentliche Toilette oder ein Rauschgiftumschlagplatz ist, sind vorbei.

Deshalb gilt es jetzt, die Pilotprojekte am Berliner Südkreuz möglichst schnell bundesweit auch an kleinen und mittleren Bahnhöfen umzusetzen. Das wiederum ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, das kann die Bundesregierung nicht alleine. Hier sind die Länder und Kommunen gefordert, vor Ort umzusetzen, was man auf Bundesebene nun an Vorschlägen präsentiert hat.

Siehe auch: Neue Sicherheitskonzepte für Bahnhöfe vorgestellt
Foto: Deutsche Bahn AG

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