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Funktionierender Wettbewerb auf der Schiene

07.07.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Seit nunmehr weit über zehn Jahren dreht die ODEG, die man bis dato von kleineren Nebenbahnen kannte, im Berliner Netz Stadtbahn ihre Runden. Dabei fuhr sie während der ausklingenden S-Bahnkrise ebenso verlässlich wie während zwei längerer Tarifkonflikte im DB-Konzern. Dass man damals eine Loslimitierung gemacht hat, um auf jeden Fall mindestens zwei Unternehmen in dem großen Netz zu haben, war richtig und hat die Eisenbahn selbst gestärkt.

Gerade in der jetzigen Zeit, in der all diejenigen glauben, Oberwasser zu haben, die ohnehin zurück zu einer wie auch immer gearbeiteten bundeseigenen Monopolbahn wollen, kann man sehen, dass der Wettbewerb auf der Schiene eben doch funktioniert und dass der hohe Marktdruck durch zusätzliche Bieter sicherstellt, dass das eine Bundesunternehmen Markt- und keine Mondpreise aufruft. Und es zeigt sich, dass es sehr wohl eine wirtschaftlich solide Basis für die Wettbewerbsbahnen gibt, wenn man die Verkehrsverträge so gestaltet, dass nicht alle Lebensrisiken auf die Betreiber abgewälzt werden, sondern es hier einen Ausgleich zwischen Auftragnehmern und Auftraggebern gibt.

Wir sehen es daran, dass das Schutzschirmverfahren von Abellio inzwischen komplett beendet und abgeschlossen ist, wir sehen es daran, dass der Keolis-Konzern relativ problemlos einen Käufer für die Eurobahn gefunden hat und wir sehen jetzt rund um Berlin, dass die ODEG in eine zweite Runde geht und hierbei auch in Zukunft für Qualität und Leistung auf der Schiene sorgen wird. Dabei wird das Unternehmen den üblichen Sorgen ausgesetzt sein, über die die Eisenbahnbranche ebenso klagt wie alle anderen: Es fehlen überall Mitarbeiter.

Gerade wenn man Leistungsausweitungen macht, muss man auch das Personal haben, das für die Wartung der Züge in den Werkstätten verantwortlich ist und Mitarbeiter in den Zügen: Lokomotivführer und Zugbegleiter wachsen nicht auf den Bäumen. Sehr wahrscheinlich wird es aus zwei Gründen in den kommenden Jahren sehr hohe Tarifabschlüsse geben: Durch den furchtbaren und sinnlosen Krieg in der Ukraine erleben wir Preisschocks, die sich auf künftige Lohnforderungen niederschlagen.

Dazu kommt der allgemeine Personalmangel, der zu einem Wettbewerb zwischen den Branchen um gutes Personal führen wird. So kann es durchaus sein, dass jemand, der jetzt noch am Berliner Flughafen an den Sicherheitskontrollen arbeitet, alsbald eine Bewerbung an die ODEG schickt, weil der Job als Zugbegleiter deutlich attraktiver ist.

Entsprechende Kostensteigerungen werden nicht ausbleiben können und um das bestehende Personal zu halten und neues zu akquirieren sind die Zeiten der sogenannten Lohnzurückhaltung vorbei. Für viele Angestellte wird es in den kommenden Jahren immer wieder den so verpöhnten „Schluck aus der Pulle“ geben. Das führt zu Kostensteigerungen, die man in langfristig laufenden Verkehrsverträgen über ihre Dauer hinweg einkalkulieren muss. Aber die Eisenbahner im Land leisten gute Arbeit und gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden.

Siehe auch: ODEG: Verkehrsvertrag Elbe-Spree unterzeichnet
Foto: Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft mbH

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