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Auch an den betrieblichen Alltag denken

21.07.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn das große Stichwort Dekarbonisierung tatsächlich nur einer einmaligen und überschaubaren Anschubfinanzierung durch die öffentliche Hand (ganz gleich auf welcher staatlichen Ebene) bedürfte, dann könnte man ja sagen, dass hier tatsächlich eine neue, transformierte Zukunftstechnologie vorliegt. Tatsächlich aber wird man Stand jetzt dauerhaft zusätzliches Geld brauchen, um Wasserstoffantriebe (oder andere alternative Formen) finanzieren zu können, weil sie im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen einfach nicht mithalten können.

Und wenn Firmen wie Bosch oder Daimler-Benz jetzt groß einsteigen wollen, dann geht es ihnen vor allem um Investments, die die öffentliche Hand absichert. Niemals würden derartige Konzerne aufhören, auch in konventionellen Bereichen ihre Entwicklungsabteilungen laufen zu lassen – schon allein weil es in diesen Bereichen zwar eine große Nachfrage, aber auch große Konkurrenz gibt und man den Anschluss nicht verlieren möchte.

Und stellen wir uns doch einfach mal die alltägliche Realität mit alternativen Antrieben auf der Schiene vor. Wer dann der Bundesregierung oder den Landesregierungen angehören wird, wissen wir nicht, es ist aber auch gar nicht so wichtig, denn Minister kommen und gehen sowieso wie durch die Drehtür. Aber die Branchenakteure bleiben und die machen sich bereits jetzt Gedanken, wie denn so ein Batteriezug oder Wasserstoffzug oder was auch immer für ein Hokuspokuszug laufen wird, wenn er zehn, zwölf oder vielleicht zwanzig Jahre alt ist.

Werden die Komponenten alle noch funktionieren? Was ist, wenn die Laufleistung mit den Jahren rapide abnimmt und man ungeplant für mehrere Millionen Euro Ersatzteile anschaffen muss? Wer kommt dafür auf? Das Verkehrsunternehmen? Der vielleicht für die Wartung verantwortliche Hersteller? Oder werden die Aufgabenträger bereit sein, um Mondpreise zu verhindern, hier mit in ein Kostenrisiko einzusteigen, das sich über Jahrzehnte nicht überblicken kann?

Oder sind es gar die Bundesregierung und die Europäische Union, die langfristige Finanzierungszusagen geben, dass man bei ungeplanten Kostensteigerungen von Linienbussen oder Eisenbahnzügen mit unkonventionellen Traktionsarten weitere Zuschüsse auszahlt? Diejenigen, die jetzt die Dekarbonisierung des öffentlichen Verkehrs fordern, werden jedenfalls nicht mit vor der Kamera stehen, wenn über insolvente Verkehrsunternehmen, über Bietermangel, aufgehobene Ausschreibungen, weil niemand die Risiken aufzunehmen bereit ist und ähnliches berichtet wird.

Dabei ist es sicherlich notwendig, dass die Eisenbahn die Wissenschaft auch auf der praktischen Seite begleitet und dass man immer mal wieder auch alternative Antriebsformen in der Praxis testet und guckt, wie sich die Forschungsergebnisse bewährt haben. Forschung und Wissenschaft ist aber nichts, dessen Weg sich politisch steuern lässt, sondern es gibt einfach Technologien, die sind wirtschaftlicher oder zuverlässiger als andere. Deshalb muss man sehr darauf achten, dass man nicht ganz übel auf dem Holzweg landet.

Siehe auch: EU-Kommission genehmigt 41 Wasserstoff-Großprojekte
Foto: trainspotterflo

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