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NVR startet Ausschreibung für S-Bahnzüge

07.06.22 (go.Rheinland) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Hinblick auf die anstehende Neuvergabe des S-Bahnnetzes rund um Köln und Bonn sowie das zu erwartende Fahrgastwachstum hat der Aufgabenträger Nahverkehr Rheinland (NVR) gemeinsam mit dem für die Streckenabschnitte nördlich von Köln zuständigen Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) die Ausschreibung von hundert neuen Triebzügen gestartet. Zum Vergleich: Heute fahren bei der S-Bahn Köln etwa sechzig Züge.

Die neuen Fahrzeuge werden bis zu 25 Prozent mehr Kapazität bringen und wesentlich mehr Komfort bieten als die derzeitigen. Für die kürzlich gestartete Ausschreibung der neuen S-Bahn-Züge hat der NVR gemeinsam mit der Industriedesign-Agentur Neomind ein Konzept entwickelt, wie die neuen S-Bahn-Züge gestaltet sein sollen. Zentrale Herausforderung: die teilweise sehr unterschiedlichen Bedürfnisse der Fahrgäste bestmöglich in Einklang bringen und gleichzeitig einen stabilen Betrieb gewährleisten. Im Durchschnitt verbringt ein Fahrgast etwa 25 Minuten pro Fahrt in einer S-Bahn.

Dahinter verbergen sich aber gleichermaßen kurze Fahrten in der Innenstadt und lange Reisen von bis zu einer Stunde Dauer. Diesem Spannungsfeld muss der neue Zug gerecht werden. Bei längeren Strecken braucht es mehr Sitzplatzkapazitäten, während für kürzere Strecken möglichst hohe Kapazitäten in Form von Stehplätzen benötigt werden. Ein Mix aus Modulen, die im Zug angeboten werden, soll die optimale Schnittmenge bringen.

So soll es ein Flexmodul geben, das Vis-à-Vis-Sitze hat, aber bei Bedarf umgewenkt werden kann. Mehrzweckmodule mit Klappsitzen und Rollstuhlplätzen gehören standardmäßig ebenfalls dazu. Bei der Entwicklung der neuen S-Bahn-Züge war dem NVR auch das Thema Flexibilität sehr wichtig: Die Module sollen sich recht kurzfristig verändern oder umbauen lassen, beispielsweise von Sitzplätzen zu Stehplätzen oder von Vierer- zu Dreiersitzgruppen. Bisher waren dafür langwierige Werkstattaufenthalte notwendig, die zukünftig deutlich kürzer ausfallen werden.

Ein absolutes Novum der neuen S-Bahn-Züge ist ein WC in jedem Endwagen: Keine andere S-Bahn mit hochflurigen Fahrzeugen in Deutschland verfügt bisher über WCs. Darüber hinaus sollen zahlreiche Innovationen im Zug den Reisekomfort der Fahrgäste deutlich verbessern. Obligatorisch ist dabei der Einbau von starken WLAN-Routern.

Auch das Fahrgastinformationssystem und die Reisendenlenkung sollen mithilfe eines Monitorbandes völlig anders aussehen als noch heute. Dieses Band teilt den Fahrgästen nicht nur den Linienverlauf mit, sondern es zeigt den am Bahnsteig Wartenden auch an, wo in der S-Bahn noch Platz ist. Eine Übermittlung dieser Daten, z.B. auf das eigene Smartphone oder in die Reisendeninformation am Bahnsteig, ist ebenfalls geplant. Das wird den Umstieg der Fahrgäste in Zukunft noch komfortabler und schneller machen – und die Züge damit pünktlicher.

„Die zahlreichen Vorgaben, die ein potenzieller Bewerber in der Ausschreibung für die neuen S-Bahn-Züge erfüllen muss, haben wir bewusst sehr ambitioniert gestaltet“, betont Sven Kleine, unter anderem stellvertretender Leiter Eigenbetrieb Fahrzeuge beim NVR. „Denn diese Züge sollen in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Verkehrswende im Rheinland leisten. Dafür müssen so viele Menschen wie möglich motiviert werden, vom Auto auf die Schiene umzusteigen. Um das zu erreichen, war uns bei der Ausschreibung wichtig, dass die neuen S-Bahn-Züge ein Maximum an Komfort und Funktionalität bieten.“

Ob dann alle Anforderungen auch wirklich kommen werden, wird sich erst durch den Austausch mit der Fahrzeugindustrie im Zuge des Vergabeverfahrens zeigen, das voraussichtlich bis Ende 2023 dauern wird. Nach derzeitigem Stand der Planungen sollen zwischen 2027 und 2029 die neuen S-Bahn-Züge in den Betrieb gehen und nach und nach die alten S-Bahn-Züge ersetzen. Bewerben können sich Fahrzeughersteller aus aller Welt, wenn sie die geforderte technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs nachgewiesen haben.

Der Auftrag wird allerdings nicht mit der Lieferung der neuen Züge enden. Mit Gewinn der Ausschreibung sichert der Hersteller für die gesamte Vertragslaufzeit von rund dreißig Jahren zu, dass die Fahrzeuge fahrtüchtig und in gutem Zustand bleiben sowie täglich und dauerhaft verfügbar sind. In einer nachgelagerten Vergabe wird dann ein Eisenbahnverkehrsunternehmen gesucht, beide werden gleichrangige Hauptauftragnehmer sein.

Siehe auch: Doch den richtigen Weg einschlagen

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