Mit den Schlagzeilen für die Eisenbahn weiterarbeiten
13.06.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Lange Zeit hat sich in Deutschland kein Mensch für die Eisenbahn interessiert. Klar, es gibt ein paar Klischees und dafür war die alte Behördenbahn mit ihrem oft anrüchigen Charme auch mitverantwortlich. Aber wem kann man denn bitte erklären, dass man mit drei zusätzlichen Weichen einen Hauptbahnhof deutlich leistungsfähiger machen kann.
Möchte der Wahlkreisabgeordnete aus dem Bundestag oder dem Landtag wirklich was davon hören, dass man die Überholgleise am Bahnhof vor Ort verlängern muss, um dann die Betriebsstabilität zu erhöhen? Was ist das überhaupt, diese Betriebsstabilität und wer kann das einem Laien mal erklären? Wie gewährleisten wir, dass der Laie, der unter Umständen auch der Landrat oder der Bürgermeister sein kann, nicht nur aus Höflichkeit freundlich guckt und es nach wenigen Minuten wieder vergessen hat?
Es gab in der Bonner Republik einen Leber-Plan, benannt nach dem früheren Bundesverkehrsminister Georg Leber, der vorsah, dass kein Bundesbürger weiter als zwanzig Kilometer von einer Autobahnauffahrt entfernt wohnen solle. Mit einigen Ausnahmen wurde das weitgehend umgesetzt. Die Eisenbahn indes wurde in dieser Zeit weitgehend ramponiert und es wurde ein Schaden verursacht, den man auch heute noch deutlich sieht.
Eigentlich müsste man jetzt, wo man durch das Neun-Euro-Ticket und die explodierenden Benzinpreise die Schlagzeilen hat, einen entsprechenden Plan für die Eisenbahn vorlegen: Kein Bundesbürger soll mehr als zwanzig Kilometer von einem SPFV-Zugangspunkt entfernt wohnen. Jetzt wird man mir vermutlich vorhalten, dass es mit dem Deutschlandtakt eine solche Planung ja bereits gibt. Und das stimmt. Der Deutschlandtakt ist seit Jahrzehnten geplant und war in zahlreichen früheren Koalitionsverträgen bereits fest verankert – auch die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen möchte einen Deutschlandtakt. Aber irgendwie kommen wir nicht weiter.
Übrigens würde sich auch der VDV nicht trauen zu sagen, dass ein Deutschlandtakt nicht auf Basis eigenwirtschaftlicher Züge funktionieren wird. Und auch wenn wir mit dem Flixtrain einzelne Billigleistungen auf der Schiene haben, oftmals auf Relationen, die die DB Fernverkehr AG nicht mehr bereit ist, eigenwirtschaftlich zu fahren, so kann man auf dieser Basis doch keinen ernsthaften Taktverkehr betreiben.
Im Gegenteil: Wenn so ein hin und wieder verkehrender Fernzug dem Regionalverkehr im Stundentakt die Trasse kaputtfährt, dann wirkt das ganze eher noch kontraproduktiv. Was wir brauchen ist eine klare Umsetzung von SPFV-Konzepten, die im verlässlichen Takt geplant sind und bei denen es zweitranging ist, wer sie am Ende fährt.
Man muss verhindern, dass irgendeine Rosinenpickerei betrieben wird, sondern es braucht eine Aufgabenträgerschaft beim Bund. Entsprechende Gesetzesentwürfe wurden 2008 und 2017 im Bundesrat beschlossen, aber nie im Bundestag diskutiert. Allerdings habe ich Zweifel, ob der VDV seinem Hauptfinancier DB AG so auf die Füße treten würde.
Siehe auch: VDV wächst um weitere Mitglieder
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