Doch den richtigen Weg einschlagen
07.06.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Als es zwischen VRR und NVR hart auf hart knallte, führten zwei damalige Akteure, die heute beide im Ruhestand sind, ihren Konflikt öffentlich in zwei getrennten Interviews hier im Eisenbahnjournal Zughalt.de aus. Ein Blick auf den Kalender verrät, dass diese Geschichte subjektiv erst gestern passiert ist, tatsächlich aber schon fast zehn Jahre her ist. Und so hat sich das Rad der Geschichte weitergedreht und inzwischen ist es selbstverständlich, dass man für ein großes S-Bahnnetz eine zusammenhänge Flotte braucht, die man auch zwischen den Verkehrsunternehmen tauschen kann und die zueinander kompatibel ist.
Wenn man hundert Triebzüge ausschreibt, dann werden die Hersteller dafür die Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Bewegung setzen, für zwei kleinere Vergaben mit jeweils fünfzig Triebzügen dürfte das kaum der Fall sein. Ideen, dass man direkte Verträge mit privaten Leasinggesellschaften macht, sind zwar immer noch hin und wieder da, aber letztlich ist es das sinnvollste, wenn der Aufgabenträger selbst seine Fahrzeuge anschafft und ins Eigentum geht.
Die Risiken hat der Aufgabenträger so oder so, denn wenn ein Zug morgen seine Zulassung verliert und der Verkehr zusammenbricht, kann kein Aufgabenträger sagen, das interessiert uns nicht, das ist das Problem des Eisenbahnverkehrsunternehmens oder dessen Unterauftragnehmer. Dabei war der NVR ja einer der ersten Aufgabenträger überhaupt, in dem ein Herstellerwartungsmodell zur Anwendung kam: Seit Dezember 2008 fährt Transregio zwischen Köln und Koblenz und die Instandhaltung findet bei Siemens am Standort Koblenz statt.
Allerdings: Hier ist Siemens ein Unterauftragnehmer von Transregio und steht in keinem Vertragsverhältnis mit dem Aufgabenträger. Solche Modelle hat man in Köln auch zu keiner Zeit abgelehnt, sondern immer im Rahmen der unternehmerischen Freiheiten der Auftragnehmer zugelassen. Jetzt geht man also den Weg mit, mit dem man sich jahrelang schwergetan hat.
Aber seien wir ehrlich: Es gibt doch keine andere Wahl. Wenn man als Aufgabenträger einen Betreiber sucht, der hundert Züge mitbringt, dann wird man sehr wahrscheinlich nur einen einzigen Bundesbieter am Start haben, den viele zwar für die Fortschreibung der alten Behördenbahn halten, der tatsächlich aber alles andere als gemeinnützig und im Ernstfall auch ausgesprochen illoyal ist – in der Wüste ist das Wasser eben teurer. Die Chance, wie in anderen Bundesländern, ein landeseigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen, hat man 2021 in Nordrhein-Westfalen verstreichen lassen, also ist man weiter auf eine hohe Bietervielfalt angewiesen.
Da ist der Weg genau der richtige. Denn gerade im Großraum Köln-Bonn wird es auch in den kommenden Jahren eine Explosion der Nachfrage geben. Hier muss man sich frühzeitig vorbereiten und Nachbestelloptionen offenhalten. Man muss in Bruttoverträgen sicherstellen, dass höhere Fahrgelderträge nicht einfach so abfließen und sich bereitmachen, dass immer mehr Menschen auf der Schiene fahren möchten.
Siehe auch: NVR startet Ausschreibung für S-Bahnzüge
Foto: Deutsche Bahn AG / Axel Hartmann