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Studie fordert günstige Monatskarten

25.05.22 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Studie OpinionTRAIN der exeo Strategic Consulting AG kommt zu dem Ergebnis, dass das #9für90-Ticket eine große Chance für öffentliche Verkehrsmittel ist. Die Herausforderungen für den ÖPNV sind gewaltig: Wenn bis 2030 eine dreißigprozentige Erhöhung des Verkehrsaufkommens im ÖPNV erzielt werden soll (Basis 2018), die ÖPNV-Nachfrage aber aktuell teilweise immer noch dreißig Prozent unter dem Vor-Corona-Krisenniveau liegt, bedeutet das von jetzt aus gesehen fast eine Verdopplung der Nachfrage in den nächsten sieben bis acht Jahren. Neben dem Aspekt Angebotsqualität wird meist im gleichen Atemzug das Erfordernis niedriger Preise als Hebel für die Verkehrswende genannt.

„Das Entlastungspaket der Bundesregierung – konkret die befristete Einführung einer Neun-Euro-Monatskarte – ist eine riesige Chance für den ÖPNV: Mit dem Angebot, das eine Nutzung des Nahverkehrs im kompletten Bundesgebiet zu umgerechnet dreißig Cent pro Tag ermöglicht, sind wir vom kostenlosen ÖPNV nur wenig entfernt. Das Pilotvorhaben führt Deutschland für drei Monate in ein gigantisches Feldexperiment. Danach werden wir wissen, was preislich möglich ist und was nicht“, betont Studienautor Prof. Dr. Andreas Krämer.

Nach einem Rekordjahr mit knapp zwölf Milliarden Fahrgastfahrten im Linienverkehr mit Bussen und Bahnen (2019), lag das Volumen krisenbedingt in 2021 nur noch bei ca. 7,9 Milliarden Fahrten (-32 Prozent). Dies hat den öffentlichen Nahverkehr in eine tiefe Finanzierungskrise gebracht (bereits vor der Corona-Pandemie lag die Kostendeckung durch Nettoerträge bzw. Fahrgeldeinnahmen nur bei etwa 75 Prozent). Seither hat die Aufhebung der Corona-Beschränkungen auch zu einer Wiederbelebung des ÖPNV geführt.

Aber: Für den ÖPNV zeichnet sich zwar eine Erholung der Nachfrage ab, das Niveau vor Ausbruch der Corona-Krise wird jedoch nicht automatisch wieder erreicht. Insgesamt sehen 22 Prozent der Befragten eine geringere ÖPNV-Nutzung in 2022 im Vergleich zu vor März 2020 (14 Prozent sehen eine intensivierte Nutzung). Im Saldo ergibt sich ein Minus von acht Prozentpunkten. Ähnlich ist die Lage bei Stammkunden des ÖPNV, also Personen, die über eine Zeitkarte verfügen. Dies ist besonders bemerkenswert, weil die Nachfrage für Fahrten mit Bussen und Bahnen stark vom Stammkunden-Segment (Personen, die den ÖPNV mehrmals pro Woche z.B. für Fahrten zur Arbeitsstelle nutzen) abhängig ist.

Basierend auf den Studienergebnissen wird erkennbar, wie groß die Nachfragepotenziale für Zeitkarten sind. Etwa 17 Prozent der Befragten geben an, über eine Zeitkarte eines Verkehrsverbundes zu verfügen (dazu zählen Jobtickets, die durch den Arbeitgeber mitfinanziert werden genauso wie Zeitkarten mit oder ohne Abonnement wie z.B. Monatskarten). Wie groß die Bereitschaft ist, am Wohnort eine ÖPNV-Monatskarte zu kaufen, die eine unbeschränkte Nutzung von Bussen und Bahnen erlaubt, wurde in der Studie erfasst.

Demnach zeigen fast fünfzig Prozent der Befragten eine grundsätzliche Bereitschaft zum Kauf einer ÖPNV-Monatskarte. Besonders ausgeprägt ist die Bereitschaft in größeren Städten ab 500.000 Einwohnern (75 Prozent) und bei Verbrauchern, denen kein Pkw zur Verfügung steht (75 Prozent). In kleineren Wohnorten (schlechtere Anbindung des ÖPNV) oder bei Personen, die ständig einen Pkw zur Verfügung haben, ist das Nachfragepotenzial für den ÖPNV geringer. Konkret wurde in der Studie der Betrag erfasst, den die Verbraucher maximal für eine ÖPNV-Monatskarte am Wohnort zu zahlen bereit wären.

Diese Zahlungsbereitschaft zeigt eine starke Varianz. Unter Einbeziehung aller Befragten (auch Personen ohne Preisbereitschaft) liegt die mittlere Zahlungsbereitschaft bei knapp zwanzig Euro pro Monat. Stark bestimmt wird sie von der Intensität der ÖPNV-Nutzung. Je mehr Fahrten mit Bussen und Bahnen unternommen werden, desto höher ist die Preisbereitschaft.

In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass erstens beim gegenwärtigen Preisniveau ein erheblicher Anteil des Nachfragepotenzials unausgeschöpft bleibt und zweitens mit sinkendem Preisniveau der Anteil an Gelegenheitsnutzern und bisherigen Non-Usern überproportional innerhalb der potenziellen Käufer zunimmt. Allerdings: Während rund fünfzig Prozent der Studienteilnehmer das #9für90-Ticket kaufen wollen, war die Zahl derer, die sich für ein 365-Euro-Jahresticket interessiert, deutlich geringer. Entsprechend groß könnte das Fahrgastpotential sein, wenn der Fahrpreis dauerhaft massiv sinkt.

Siehe auch: Nur billig geht nicht

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