Nur billig geht nicht
25.05.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Sagen wir es ganz salopp: Wem ein 365-Euro-Jahresticket zu teuer ist, aber dann beim #9für90-Ticket zuschlägt, der hat sehr wahrscheinlich eine falsche Vorstellung davon, was Mobilität kostet. Und wer regelmäßig mit dem eigenen Auto unterwegs ist, aber dann keine Bereitschaft zeigt, einen Euro am Tag für die dauerhafte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel auszugeben, dem kann man dann irgendwann auch nicht mehr helfen.
Denn so wichtig die öffentliche Kofinanzierung von Bussen und Bahnen ist, so ist doch eine kostenfreie oder weitgehend kostenfreie Nutzung ebenjener nicht zielführend. Solche Diskussionen werden seit Ewigkeiten immer mal wieder geführt und die Vertreter der ÖV-Branche sagen nicht zu unrecht, dass das zu einem Nachfrageschub führen würde, den man kaum bewältigen könnte.
Und wenn wir es mal ganz offen sehen: Das war ja auch bei dem #9für90-Ticket nicht anders und hätte man da im Vorfeld mal beim VDV nachgefragt, wären wohl auch Argumente zum Tragen gekommen, die so einfach unter den Tisch gefallen sind. Denn dass die gesamte Branche von der Ankündigung überrascht war, ist ja auch nichts neues. Aber das Ziel steht, dass man die Fahrgastzahlen massiv erhöhen möchte und entsprechend muss man sich vorbereiten.
Wenn morgen eine Angebotsoffensive im SPNV angekündigt würde, dann könnte man bestenfalls zusätzliche Züge in den Fahrplan schreiben, aber mangels Personal wäre man nicht in der Lage, diese auch tatsächlich fahren zu lassen. Wo sollen die Mitarbeiter auch herkommen, gerade kurzfristig in der Urlaubszeit? Das ist ja auch so eine Sache, die allermeisten Verkehrsunternehmen hatten ihre Urlaubsplanungen für das Kalenderjahr 2022 bereits abgeschlossen, als die Bundesregierung mit der Nummer um die Ecke kam.
Viele Lokomotivführer, Zugbegleiter, Mechatroniker und andere in der Eisenbahn tätige Familienväter können auch den Urlaub nicht einfach aus der Ferienzeit in den September oder Oktober verschieben, weil die Kinder wieder in die Schule müssen. Es hat aber den Vorteil, dass man in einem großen Teil des Aktionszeitraumes eben auch keine schulpflichtigen Kinder in den Bussen und Bahnen hat, die morgens zur Schule und mittags wieder nach Hause gefahren werden, während Ausflügler und Mal-Ausprobierer in den gleichen Fahrzeugen sind und sich wahlweise kuschelig oder gequetscht fühlen.
Nun stellen wir uns mal vor, so ein Monatsticket würde, wie in der OpinionTRAIN-Studie gefordert, wirklich nur zwanzig Euro kosten: Ist dieser massiv gestiegene Zuschussbedarf es wirklich wert, weil die Geiz-ist-Geil-Mentalität der Nullerjahre bei einigen potentiellen Fahrgästen immer noch vorhanden ist?
Gerade wenn man dauerhaft einen kostengünstigen ÖPNV möchte, so ist das 365-Euro-Ticket, das übrigens in Wien ein Riesenerfolg ist, wohl die untere Schmerzgrenze, billiger kann und soll es einfach nicht werden. Es fordert ja auch niemand kostenloses Benzin an den Tankstellen, sondern wirtschaftlich vertretbare Preise für gute Mobilität heißt das Zauberwort.
Siehe auch: Studie fordert günstige Monatskarten
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