Hier steckt Potential drin
12.05.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Das Konzept, dass man „gehobene“ Buslinien betreibt, die um ihren Namen zu tragen, bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen müssen, ist sicher keine nordrhein-westfälische Erfindung. Aber man kann halt nicht immer der erste sein und gerade die Ballungsgebiete an Rhein und Ruhr brauchen auch weniger den Erschließungsbus, der einmal die Stunde zum nächsten Bahnhof fährt als die Mittelzentren im Thüringer Wald.
Nichtsdestotrotz hat man auch in Nordrhein-Westfalen Lücken im Eisenbahnnetz, die man mit Expressbuslinien, oder Xbus, füllen muss. Und auch in den Randgebieten einer Metropolregion kann ein verlässlicher Schnellbus mit garantierter Anbindung an den SPNV, inklusive Fahrplan bis in die Abendstunden, durchaus die Attraktivität steigern. Leider ist der Regionalverkehr in Nordrhein-Westfalen so strukturiert, dass der Busverkehr durch die Gebietskörperschaften nach Lust und Laune geplant werden kann.
Die Verkehrsverbünde haben keine Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Ein Beispiel aus meinem Wohnort Witten: Wenn man nach 20 Uhr mit dem RE 4 aus der Landeshauptstadt Düsseldorf am Wittener Hauptbahnhof eintritt, dann hätte ich 56 Minuten Wartezeit, bis die noch im Stundentakt verkehrende Linie 376 abfährt. Tatsächlich verlässt dieser Bus den Hauptbahnhof wenige Minuten bevor der Regionalexpress aus der Hauptstadt ankommt. Das ist ein Fehlstand, der sich nicht mit dem verbreiteten Narrativ „zu wenig Geld“ erklären lässt, sondern hier haben wir es mit praktiziertem Desinteresse aller Verantwortlichen zu tun.
Lange Zeit war ich hier der Auffassung, dass in so einem Fall der Verkehrsverbund ein Vetorecht haben muss, dass dieser quasi den Fahrplan umschreiben kann, im Zweifel ohne dass die Zustimmung der Gebietskörperschaften notwendig wäre. Inzwischen habe ich meine Meinung da aber geändert, denn man kann nicht jedes mal einen Verkehrsverbund oder gar keinen Verkehrsminister zur Hilfe holen, wenn die kommunalen Planungsämter schlechte Arbeit machen.
Das muss dann weiterhin vor Ort geregelt werden, dort und nur dort ist die Verkehrswende zu organisieren. Allerdings kann man durchaus von oben Anreize setzen: Der Bürgermeister, dem jetzt noch egal ist, wie die Vertaktung zwischen Bus und Bahn an seinem Hauptbahnhof ist, der will vielleicht auch solche Xbusse in seiner Stadt fahren haben. Aber die kriegt er nur, wenn bestimmte klar definierte Kriterien erfüllt sind und dazu muss auch die verlässliche Anbindung an den SPNV gehören.
Und wenn man dann in der Tagesrandlage (so man 20 Uhr schon als solche definieren möchte) eine unzumutbare Wartezeit hat, dann kann er zwar seinen Bus fahren lassen, aber die Marke XBus, in anderen Bundesländern auch Plusbus genannt, bleibt ihm solange verschlossen, solange die definierten Kriterien nicht erfüllt sind. Dann wollen wir doch mal sehen, wie schnell es auf einmal gehen kann. Deshalb bin ich überzeugt, dass das Konzept auch in der Ballung bzw. am Rande von Ballungsgebieten extrem viel Potential hat, richtig zu werden.
Siehe auch: VRR: Erste XBuslinien starten im Sommer
Foto: Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR