Wir brauchen gute öffentliche Verkehrsmittel
21.03.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Nachdem man in den 1950er Jahren noch autogerechte Städte hatte, die Fußgängerzonen und öffentliche Verkehrsmittel weitgehend hinter sich lassen wollten, begann spätestens mit der Ölpreiskrise der 1970er Jahre die Debatte um die Stärkung öffentlicher Verkehrsmittel. Ja muss ich denn mit dem Auto in die Stadt fahren oder kann ich nicht auch den Bus nehmen? Das Problem der alten Bonner Republik war, ähnlich wie in Österreich, bis heute dass man eben nicht öffentliche Verkehrsmittel stärkt, sondern versucht Autofahrer zu drangsalieren.
Horrende Parkgebühren, schlechte Ampelschaltungen und andere sogenannte Maßnahmen haben dazu beigetragen, dass erst das Kaufhaus auf der grünen Wiese – vornehmlich direkt in einem Autobahnkreuz – oder später der Internetversandhandel gestärkt worden sind. Bevor es Amazon gab, gab es die Katalogbestellungen bei Otto oder Quelle: Ja dann fahre ich doch nicht in die Stadt, suche mir einen teuren Parkplatz um dann doch nicht zu kriegen, was ich möchte, sondern ich bestelle per Telefon ganz bequem aus dem Katalog.
Heute ist das per Internet noch einfacher möglich und in jedem Fall wird die Ware am nächsten Tag bequem geliefert. Für viele andere aber, die ihren Arbeitsplatz in der Stadt haben, fällt die Wahl weg: Sie müssen mit dem Auto fahren. Oder sind die öffentlichen Verkehrsmittel inzwischen doch eine Alternative? Was ist, wenn ich gerade nicht neben dem Busbahnhof in der Innenstadt arbeite, sondern in einem Gewerbegebiet, wo der Bus nicht oder nur unregelmäßig fährt?
Die S-Bahnstation neben dem Siemens- oder Opelwerk ist vielleicht seit Jahrzehnten geplant, aber kam nie über die Ankündigung in irgendwelchen Perspektivplänen hinaus. Deshalb brauchen wir einen guten ÖPNV, der zum Beispiel auch urbane Bürozentren am Abend anbindet, weil in den Büros mitnichten um 17 Uhr das letzte Licht ausgeht. Und auch der kommunale Schienenverkehr, der tagsüber im engen Fünf-Minuten-Takt fährt, wird zum Problem, wenn um 19 oder 20 Uhr auf einmal nur noch alle halbe Stunde fährt, weil es ja vermeintlich „nachfragegerecht“ ist.
So werden Berufspendler wiederum auf ihr eigenes Auto gelockt, was man nicht müsste, wenn man die Bedürfnisse vieler Arbeitnehmer einfach mit berücksichtigen würde. Überhaupt ist das mit dem Taktverkehr so eine Sache. Wurden denn bundesweit alle Leistungen wieder eingeführt, die 2007 und 2008 abbestellt werden mussten, weil der Eisenbahnverkehr in der Folge des Koch-Steinbrück-Papiers nicht mehr auskömmlich finanziert war? Oder hat man nach wie vor unsympathische 20/40-Minuten-Taktverkehre und eine Verdichtung ist „derzeit nicht geplant“?
Dabei liegen die Planungen ja vielfach seit Jahrzehnten in den Schubladen, man muss sie vielleicht aktualisieren, aber mehr eben auch nicht, neue Grundlagenarbeit ist oftmals nicht mehr erforderlich. Deshalb sind jetzt die Politiker am Zug, die Bürgermeister und Wahlkreisabgeordneten. Wir brauchen gute öffentliche Verkehrsmittel, diese werden vor Ort gemacht. Jeder kann sich auf seine Art einbringen.
Siehe auch: VCÖ legt Studie zur urbanen Mobilität vor
Foto: derRenner