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EVG sieht Vergabewelle anrollen

03.03.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) sieht die Branche in den kommenden Jahren vor einer erneuten Vergabewelle und stellt diesbezüglich Forderungen an die Aufgabenträger. Im Hinblick auf die Vorbereitungszeiträume laufen bereits 2022 erste Ausschreibungen an für Eisenbahnaufträge, die bis zum Jahr 2030 starten und zur Mitte des Jahrhunderts enden werden. Konkret hat sich die Betriebsratsfraktion im Bereich DB Regio Schiene-Bus geäußert.

Man fordert verbindliche Vorgaben von Ausbildungsquoten und -umlagen, um den hohen Personalbedarf dauerhaft zu decken. So soll auch verhindert werden, dass Verkehrsverträge künftig allein deshalb in die roten Zahlen laufen, weil die Ausbildungskosten steigen und bei der Angebotskalkulation nicht berücksichtigt worden sind. Damit es hier fair zugeht, sollen die Aufgabenträger verbindliche Vorgaben machen. Auch die Vorhaltung von Ersatzfahrzeugen müsse in den Verkehrsverträgen vorgegeben werden, um Zugausfälle zu verhindern, weil der Zuschlag an einen Betreiber gegangen ist, der mit einem zu kleinen Fuhrpark kalkuliert hat.

Auch bei der Personalkalkulation sollen die Aufgabenträger Vorgaben machen und Reserven mindestens im Bereich des operativen Geschäfts vorsehen, gleichzeitig aber auch den Personalübergang samt persönlicher Besitzstandswahrung vorgeben. Zur Qualitätssicherung werden außerdem noch hohe Selbsterbringungsquoten gefordert, bei denen die Beauftragung von Subunternehmen stark begrenzt oder ausgeschlossen werden sollen. Darüber hinaus spricht man sich für die Einführung eines realistischen Personalkostenindexes aus, um die Unternehmen wirtschaftlich lebensfähig zu halten und bei Pönalen solle es im Sinne des Konzeptes Verkehrsvertrag 2.0 ein differenziertes Verursacherprinzip geben.

So soll ein Zugausfall wegen Personalmangel deutlich teurer werden als ein Ausfall, weil ein Zug vor einem defekten Bahnübergang steht oder wegen eines Suizides nicht weiterfahren kann. Die in der Vergangenheit durchgeführten reinen Preiswettbewerbe haben in letzter Zeit deutlich ihre Nachteile gezeigt. So besteht in der Verkehrsbranche ein hoher Fachkräftemangel, weil man an der Anzahl der Ausbildungen spart oder sparen muss, weil die Zuschlagserteilung nur möglich ist, wenn die Kosten für die Ausbildung möglichst niedrig oder nahe Null angegangen werden.

Diese Erfahrungen sollen nun in die Ausgestaltung neuer Vergaben einfließen, um Probleme wie es sie jüngst gab in der Zukunft zu verhindern. Die Fahrzeugverfügbarkeit ist gesunken, da die Anschaffung und die Bereithaltung von Ersatzfahrzeugen zu einem Wettbewerbsnachteil führt. Darüber hinaus will die EVG festgestellt haben, dass in den Verkehrsunternehmen Haustarifverträge abgeschlossen worden sein sollen, die einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen und so zum Nachteil der dort beschäftigten Mitarbeiter führen – aber auch die Personalakquise erschweren, weil Mitarbeiter nicht bereit sind für Löhne unterhalb des Branchenstandards zu arbeiten.

Außerdem führt Preisdruck zu Insolvenzen und zum Rückgang der Verkehrsleistungen, weil die Unternehmen zu niedrig kalkulierte Personalkosten unterstellt haben und während des Verkehrsvertrages das dicke Ende erleben müssen. Die Folge sind Qualitätseinbußen sowie eine abnehmende Beständigkeit des vereinbarten Angebots. Gerade bei den aufgezeigten Beispielen wurden innerhalb der Verkehrsunternehmen die „Schrauben“ angezogen, um den reinen Preiswettbewerb überhaupt gewinnen zu können.

Die Insolvenzen und Rückzüge einzelner Verkehrsunternehmen zeigen deutlich, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Konkret gemeint ist damit das Schutzschirmverfahren der Berliner Abellio GmbH und der Verkauf der Eurobahn durch den französischen Keolis-Konzern an einen reinen Kapitalinvestor. Die Erfahrungen sind nun Anlass, dass der Gesamtbetriebsrat DB Regio Schiene-Bus alle 16 Verkehrsministerder Länder sowie den Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) angeschrieben hat.

Dabei fordert er, dass bei Ausschreibungen der Fokus auf eine Qualitätsverbesserung gelegt wird anstatt einen harten Personalkostenwettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten auszutragen. Außerdem bietet er an, mit den jeweiligen Ministerien in Gespräche einzusteigen und Unterstützung bei der Ausgestaltung der Ausschreibungen angeboten. Wenn die entsprechenden Vorgaben am Anfang des Vergabeverfahrens gemacht werden, drohen in den Verträgen keine bösen Überraschungen mehr.

Siehe auch: Nachhaltige Stabilität gewährleisten

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