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Die Risiken sind unkalkulierbar

14.03.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass ausgerechnet immer die DB-Tochtergesellschaft start zum Zuge kommt, wenn große Netze mit bislang nicht marktüblichen Traktionsarten vergeben werden, hat sicher einen Grund: Nicht, weil die DB AG der bessere Betreiber ist, sondern weil einzig der Staatskonzern bereit ist, das Risiko aufzunehmen, das mit dem jahrzehntelangen Betrieb unerprobter Hokuspokus-Technologien einhergeht. Das ist keine Polemik, sondern genau die richtige Beschreibung für eine Traktionsart, die zwar auf dem Papier existiert, von der aber die praktische Erfahrung in der Realität fehlt.

Wir wissen nicht, wie defektanfällig diese Züge jetzt im Moment sind und was passiert, wenn die Fahrzeuge zwölf oder zwanzig Jahre alt sind. Sind dann womöglich Ersatzteile fällig, die zu beschaffen man jetzt noch überhaupt nicht kalkulieren kann? Was machen wir denn, wenn so ein Wasserstoffzug auf nach einigen Jahren so viel stärker verschlissen ist als gedacht, dass für mehrere Millionen Euro die Komponenten ausgetauscht werden müssen?

Und das womöglich unter der Prämisse, dass die Anschaffung von Ersatzteilen durch die Entgelte, die vom Aufgabenträger entweder an das Verkehrsunternehmen oder an an den Instandhalter fließen, pauschal abgegolten sind? Wer möchte hier in ein Risiko gehen, das im schlimmsten Fall nicht beherrschbar ist und das Unternehmen existentiell bedrohen kann? Überhaupt muss man sich die Frage stellen, ob man mit solchen Traktionsarten nicht das Ziel aufgibt, einen möglichst großen Teil des Eisenbahnnetzes zu elektrifizieren, was zweifelsfrei die sauberste Form des Antriebes ist.

Denn neben den Risiken, die sich mit einer bislang nicht genutzten Technologie ergeben, hat man bei Wasserstoffantriebe auch systemische Nachteile. So kann man Wasserstoff nur sehr aufwendig transportieren, hier ist gar kein Vergleich mit Dieselkraftstoff, der in Tanklastwagen einfach angeliefert werden kann. Wenn man viel Glück hat, dann hat man die Werkstatt an einer Stelle, an der es ohnehin eine Wasserstoff-Pipeline gibt, die man vielleicht einfach nur anzapfen muss.

Wenn man das aber nicht hat, kriegt man sehr schnell ein massives Problem. Es hat ja Gründe, wieso sich alle möglichen Traktionsarten, die man in Deutschland jetzt als „alternativ“ und „neuartig“ preist, nie durchgesetzt haben. Denn weder Wasserstoffantrieb noch Batterietraktion oder sonst irgendwas in diese Richtung sind wirklich neu. Es handelt sich nur um Technologien, die sich in der Vergangenheit nicht durchsetzen konnten und die das auch jetzt jenseits teurer öffentlicher Fördergelder nicht können.

Natürlich hat der Staat die Aufgabe, Grundlagenforschung zu finanzieren und es spricht nichts dagegen, dass auch die Eisenbahn diese Grundlagenforschung mit einem Praxisbezug unterstützt. Vielleicht gelingt ja wirklich in naher Zukunft ein Durchbruch, der dafür verantwortlich ist, dass irgendwer anders nochmal viel später eine bahnbrechende Erfindung macht. Das wäre ja alles schön und gut. Aber kurzfristig jedenfalls darf man sehr gespannt sein, ob das alles so rund läuft wie erhofft.

Foto: Alstom

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