Sachorientierte Politik statt Geisterdebatten
24.02.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Damit verschwindet Abellio auch aus Baden-Württemberg, aber das Unternehmen bleibt erhalten und wird von der Staatseisenbahn weitergeführt. Eine Staatseisenbahn, so kann man die SWEG nennen. Ein Unternehmen im Eigentum des Landes, das vom Land kontrolliert werden kann und das im Zweifel auch für das Land und nicht für irgendeine Börsenfähigkeit fährt. Es ist ein Unternehmen, auf das man in Baden-Württemberg wird zählen können, wenn bei künftigen Ausschreibungen die Bieter fehlen oder es nur einen einzelnen Bieter gibt, der Preise verlangt, die sich nur damit erklären lassen, dass in der Wüste das Wasser eben teurer ist.
Vor allen Dingen aber führt man im Ländle Diskussionen, in denen Sachargumente den Ton angeben, man lässt sich nicht vor den Karren einiger Interessenvertreter spannen. Natürlich sieht man bei bei DB Regio die Chance, hier eine politische Stimmung zu schaffen, die wieder Richtung Direktvergaben an die „gute alte Bundesbahn“ gehen, weil zahlreiche Verkehrspolitiker aus nicht nachvollziehbaren Gründen bis heute glauben, die arme DB AG sei als gemeinnützige Bundesbahn einem Wettbewerb mit ultrakapitalistischen Privatbahnen ausgeliefert.
Unvergessen auch ein Verkehrsminister, der mal die vermeintlichen strukturellen Nachteile von DB Regio im Wettbewerb um Verkehrsaufträge mit Aufwendungen erklären wollte, die dem DB-Konzern durch die Bewirtschaftung der Infrastruktur entstehen. Kurzum, man führt in Baden-Württemberg keine Debatten, die von Halbwissen geprägt sind und hinter denen durchschaubar ein Bundesunternehmen steckt, das sich nun Hoffnungen auf lukrative Direktvergaben macht, sondern man schafft eine Situation, in der man zur Staatseisenbahn im eigentlichen Sinne zurückkehrt.
Die Staatseisenbahn der Zukunft, wenn man sich denn für eine solche entscheidet, wird vor Ort gesteuert, sie ist im Eigentum des Landes und sie ist genauso Kunde von DB Netz wie auch DB Regio oder andere Akteure es sind. Natürlich besteht die Möglichkeit, auch Infrastruktur zu regionalisieren, sie aus der Bundesverantwortung herauszulösen – gerade wenn es um Infrastruktur geht, die ausschließlich durch den regionalen Eisenbahnverkehr genutzt wird.
In Nordrhein-Westfalen, wo auch eine Abellio-Gesellschaft aufhört zu existieren, hat man die Chance verpasst, eine solche Landesbahn zu gründen. 2021 hätte man Abellio Rail NRW, die Eurobahn und vielleicht sogar auch die Westfalenbahn in den Landesbesitz überführen können. Dann wäre nie wieder irgendeine Abhängigkeit vom Gutdünken eines Bundesunternehmen ein Thema gewesen. Das hat man verstreichen lassen.
Wenn man also Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen vergleicht, man man im Südwesten mit der bereits existierenden SWEG die einfachere Ausgangslage gehabt haben, aber auch die politische Reaktion war besser als tief im Westen. Und so macht sich Baden-Württemberg unabhängig; unabhängig von privaten Akteuren ebenso wie von einem Bundesunternehmen. So geht sachorientierte Politik.
Siehe auch: BaWü: Abellio Rail BW geht in SWEG über
Foto: SWEG