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Strukturen erhalten

20.01.22 (Kommentar, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Die hier erfolgten Notvergaben für nicht einmal zwei Jahre sind extrem kurz. Kein Betreiber könnte für diese Zeit in neue Infrastrukturen investieren, zumindest nicht ohne eine entsprechende Risikoabsicherung. Schon im Dezember kommenden Jahres sollen die dauerhaften Nachfolgeaufträge an den Start gehen, derzeit laufen die entsprechenden Ausschreibungen.

Das zeigt zuerst mal eins: Entgegen anderer Behauptungen kann man selbst in einem Notfall wie hier – wer hätte im Januar 2021 gedacht, dass Abellio Rail NRW aufhört zu existieren – Übergangsvergaben machen ohne dass das Chaos ausbricht. Das sollten sich all diejenigen ansehen, die meinen, man müsse eine Rechtsgrundlage für umfassende Direktvergaben an DB Regio schaffen. Nein, es geht auch ohne und gerade für Notfälle ist das Vergaberecht bereits flexibel genug.

Bemerkenswert ist aber, dass just in dieser Woche ein WELT-Artikel erschienen ist, in dem man das ganze aus Aufhänger nutzt, damit die üblichen Verdächtigen kundtun können, dass der marktwirtschaftliche Umbau der Eisenbahn doch nicht der Schlüssel zum Erfolg sei. Was dabei auffällt: Das Beispiel Baden-Württemberg, wo man sich wirklich für den Weg zurück zur Staatseisenbahn und weg vom Wettbewerb entschieden hat, wird überhaupt nicht genannt.

Dabei macht Baden-Württemberg vor, dass man sowohl bestehende Unternehmensstrukturen erhalten als auch ein staatliches Eisenbahnunternehmen stärken kann, in dem Fall die SWEG. Der Weg raus aus dem Wettbewerb ist auch dort kein Zurück zur Bundes-Bahn AG, es geht nicht in die Vergangenheit, sondern ein landeseigenes Unternehmen übernimmt die Leistungen. Wer das in einer vermeintlich sachorientierten Debatte ausblendet, dem fehlt entweder fundamentales Wissen, um qualifiziert mitreden zu können oder aber der ist ein ganz gezielt handelnder Vertreter von Partikularinteressen.

Ob man auch in Nordrhein-Westfalen jetzt die Chance hätte nutzen sollen, ein landeseigenes Unternehmen auf die Beine zu stellen, sei dahingestellt. Ich sage ganz klar: Ja, das hätte man machen müssen. Aber nun sorgt man zumindest dafür, dass vorhandene Infrastrukturen, Werkstätten und Grundstücke, für den Eisenbahnbetrieb erhalten werden.

Denn auch wenn die langfristigen Betreiber ab Dezember nächsten Jahres keine Züge anschaffen müssen, so werden sie doch zumindest Werkstätten neu eröffnen oder übernehmen müssen. Jetzt kann es natürlich sein, dass da ein Betreiber kommt, der vorhandene eigene Anlagen hat. Dann kann man ja weitersehen, was man mit den jetzt vorhandenen Werkstätten macht.

Für eine Kurzzeitvergabe aber müssen diese auf jeden Fall weitergenutzt werden. Wenn schon ein Unternehmen vom Markt verschwindet – was bedauerlich genug ist – so muss man doch dessen Strukturen, dessen unternehmerischen Sachverstand und vieles mehr retten. Vergessen wir nicht: Es ist der langjährige Qualitätsführer, von dem wir uns hier verabschieden müssen. Deshalb ist es so wichtig, soviel wie möglich für einen guten Betrieb zu erhalten.

Siehe auch: VRR übernimmt Abellio-Werkstätten
Foto: Sven Steinke

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