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Ordnungspolitische Weichenstellungen

18.11.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Zunächst einmal ist eine vernünftige Infrastruktur die Grundvoraussetzung dafür, dass in einem Land Wertschöpfung stattfinden und Wohlstand generiert werden kann. Niemand käme auf die Idee zu sagen, dass beispielsweise die Gasleitung, die unsere Heizungen versorgt, Rendite für ein staatseigenes Unternehmen abwerfen muss. Auch die Wasserstraßen unterliegen ausschließlich Gemeinwohlverpflichtungen. Bei der Eisenbahn ist das aus historischen Gründen anders.

Noch bis in die 1990er Jahre hinein gab es eine dogmatische Unteilbarkeit von Netz und Betrieb und niemals wäre es denkbar gewesen, dass jemand anderes als „die Bundesbahn“ auf deren Netz fährt. Nun hat diese Bundesbahn zwar enorme Kosten verursacht, aber der Schiene gleichzeitig massiven Schaden zugefügt. Ein Blick auf eine Schienenkarte des Jahres 1949 und auf eine des Jahres 1994 zeigt, dass die Schiene in der Bundesbahnzeit auf ein Minimum heruntergefahren worden ist.

Früh schon gab es Diskussionen über ein „betriebswirtschaftlich optimales Netz“, das in der alten Bonner Republik wohl aus vier- bis siebentausend Kilometern bestanden hätte. Darüber sind wir zum Glück weg. Die Schiene ist genauso eine Verkehrsinfrastruktur wie alle anderen auch und muss entsprechend behandelt werden.

Über Mehdorns Börsengang spricht auch niemand mehr und manch einer scheint auch vergessen zu haben, dass es nicht Hartmut Mehdorn war, sondern die damalige rot-grüne Bundesregierung, die das Ziel der Eisenbahnreform „Mehr Verkehr auf die Schiene“ verworfen und durch „Bahn an die Börse“ ersetzt hat. Allerdings: Die EVG-Vorgängerorganisation Transnet war in den Nullerjahren die einzige DGB-Gewerkschaft, die diese Börsenpläne unterstützt hat, was dazu führte, dass der DGB erhebliche Probleme mit seiner Einzelgewerkschaft Transnet gekriegt hat. Auch weltweit war die heutige EVG die einzige Eisenbahnergewerkschaft, die jemals irgendwo auf dem Globus die Privatisierung der Eisenbahn unterstützt hat.

Dabei muss man sich schon fragen, was privat und was staatlich organisiert werden soll: Für den Regionalverkehr sind die Aufgabenträger zuständig, hier braucht es kein bundeseigenes Unternehmen mehr. Güter zu speditieren ist ohnehin nicht Aufgabe des Staates, weder auf der Straße noch auf der Schiene. Im Fernverkehr ist es durchaus eine Idee, dass der SPFV nicht wettbewerblich organisiert wird, sondern durch eine bundeseigene Aktiengesellschaft durchgeführt werden kann – so wie ja auch viele kommunale Verkehrsunternehmen handelsrechtlich organisiert, aber eben nicht privatisiert sind.

Allerdings gibt es keinen Grund, die DB Fernverkehr AG als bundeseigenes Verkehrsunternehmen mit den Infrastrukturgesellschaften zu verquicken. Auf der anderen Seite muss man realistisch bleiben: Die große Eisenbahnpolitik wird im Bundeskanzleramt gemacht. In der SPD gibt die EVG den Ton an. Spätestens am wahrscheinlichen neuen Bundeskanzler Olaf Scholz wird eine Trennung von Netz und Betrieb scheitern. Dabei könnte es so schön sein.

Siehe auch: Verbände fordern Eisenbahnreform 2
Foto: Deutsche Bahn AG / Uwe Miethe

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