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Entscheidend ist auf dem Platz

29.11.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Zunächst einmal habe ich den Eindruck, dass manch einer hier die Rolle des Bundesverkehrsministers überschätzt, gerade in Eisenbahnfragen. Natürlich ist dieser Posten im Bundeskabinett wichtig und mit Volker Wissing wird es jemand, der bereits auf Landesebene Erfahrung in diesem Ressort hat. Er war bislang auf der anderen Seite an den Bund-Länder-Verhandlungen beteiligt, was ihn potentiell dazu qualifiziert, hier beide Seiten in Zukunft im Auge zu behalten und lösungsorientiert zu arbeiten.

Erinnern Sie sich noch, wer im Januar 1994, bei der großen Eisenbahnreform, der Bundesverkehrsminister war? Es ist doch gefühlt noch immer Helmut Kohls Eisenbahnreform. Und es war Gerhard Schröders Börsengang, für den er eigens Hartmut Mehdorn im Bahntower installiert hat. Dieser hatte soviel Einfluss im Bundeskanzleramt, dass er nach der Bundestagswahl 2002 gefordert hat, den Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig nicht ins neue Kabinett aufzunehmen. Nachfolger wurde Manfred Stolpe.

Und 1994 war Matthias Wissmann der Bundesverkehrsminister. Er war maßgeblich für die Gründung der DB AG verantwortlich, aber auch für den Start der Regionalisierung ab 1996. Sie merken aber sicher sehr schnell, wenn von diesen historischen eisenbahnpolitischen Ereignissen die Rede ist, dass es gerade nicht der Bundesverkehrsminister ist, der sich verantwortlich zeigt. Und so spielt es auch erstmal nur eine untergeordnete Rolle, was im Koalitionsvertrag steht. Papier ist geduldig.

Ob man das, was geplant ist, auch umsetzt, ist eine ganz andere Frage. Die DB AG schickt jetzt schon ihre Lobbyisten los, um genau diese Pläne zulasten des Konzerns zu verhindern. Überhaupt: Wie sieht das jetzt mit dem Deutschlandtakt aus? Bislang kam man in dieser Sache auch deshalb nie weiter und trat seit Jahren auf der Stelle, weil sich niemand getraut hat auszusprechen, dass die reine Eigenwirtschaftlichkeit im SPFV nicht funktioniert.

Hier muss es einen bundesweiten Aufgabenträger geben, der diesen Deutschlandtakt definiert und ausschreibt. Jahrelang wartete man jedes Frühjahr darauf, welche Fernverkehrsleistungen die DB AG im jeweils kommenden Dezember wieder einstellen wird. 2008 und auch 2017 hat der Bundesrat jeweils Fernverkehrsgesetze beschlossen, zu deren Erlass der Bund nach Artikel 87e des Grundgesetzes verpflichtet ist. Vielleicht befasst sich jetzt der Bundestag mit einem dieser beiden Gesetzesentwürfe.

Oder man beschäftigt sich mit der staatsrechtlichen Grundsatzfrage nach dem Verhältnis der beiden Kammern (Bundesrat und Bundestag) untereinander und in welchem Zeitraum die eine Kammer verpflichtet ist, sich mit in der anderen Kammer verabschiedeten Gesetzen zu befassen. Dann könnte man ja sehen, wer im Bundestag gegen einen gesetzlich geregelten SPFV stimmen würde. Wobei es durchaus sinnvoll erscheint, den SPFV durch eine bundeseigene Aktiengesellschaft betreiben zu lassen. Diese muss dann aber nicht mehr verwoben sein mit den Infrastrukturgesellschaften. Es wäre viel möglich. Was kommt, wird man sehen.

Siehe auch: Ampelkoalitionsvertrag steht
Bild: Nikolaus_Bader

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