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Diskussion um die Eisenbahnstruktur

08.11.21 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP haben sich die beiden kleinen Partner für eine Trennung von Netz und Betrieb und damit eine Aufspaltung des DB-Konzerns ausgesprochen. Sie fordern eine unabhängig, nur dem Gemeinwohl dienende Eisenbahninfrastruktur die unabhängig vom Verkehrskonzern DB AG bestehen und bewirtschaftet werden soll.

Dies begrüßt der Wettbewerberverband Mofair ausdrücklich. Verbandspräsident Tobias Heinemann: „In fast allen Netzwirtschaften – Gas, Strom, Post, Telefonie, Internet, Luftverkehr – haben wir seit langem eine Trennung zwischen dem Netz als einem natürlichen Monopol und den Dienstleistungen auf dem Netz, die im Wettbewerb erbracht werden. Die Kunden haben davon profitiert, Innovationen wurden dadurch erst möglich. Bei der Eisenbahn sind wir aber in den Neunzigerjahren stehen geblieben.“

Ein neutraler Netzbetreiber im direkten Besitz des Bundes solle allein durch Qualitätsziele gesteuert werden. Gleise und Stationen müssten dann nicht mehr wie bisher Dividenden für den Gesamtkonzern erwirtschaften. Auch der Vorsitzende der Monopolkommission der Bundesregierung, Jürgen Kühling, hat klar für eine Herauslösung der Monopolbereiche plädiert. Bei Mofair sieht man dringenden Reformbedarf. Mit der heutigen Kapazität und Qualität wird die Verdoppelung der Fahrgastzahlen Wunschtraum bleiben.

Mahnendes Beispiel für den dringenden Reformbedarf ist etwa das Schneechaos vom Februar dieses Jahres, als die DB-Gesellschaften die Aufklärung durch die Bundesnetzagentur sogar aktiv behinderten. Im integrierten Konzern findet die Debatte über die Qualität der Schieneninfrastruktur und damit letztlich die Frage „Wieviel Schiene wollen wir?“ hinter verschlossenen Türen in den DB-Gremien statt.

Bei einer direkten Bundesgesellschaft gibt es darüber eine transparente, politische Debatte. Heute weiß die Politik angesichts der unzähligen Verrechnungsmöglichkeiten im Konzern nie genau, was sie für die Milliarden bekommt, die über die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV), Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung (BuV), Eigenkapitalerhöhungen. Bürgschaften und geduldete Schulden (zurzeit über 32 Milliarden Euro, mehr als in den 1990er Jahren, als Bundes- und Reichsbahn auf Kosten des Bundeseisenbahnvermögens entschuldet worden) an den DB-Konzern gehen.

Gemeinsam mit der Allianz pro Schiene fordert man zudem eine Angebotsoffensive im Personenverkehr. „Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP muss die Weichen stellen für eine Angebotsoffensive im Schienenpersonennahverkehr“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. „Im Schienenverkehr sind 95 Prozent der Fahrgäste in Nahverkehrsbahnen unterwegs. Daher muss die nächste Bundesregierung die Unterstützung für diese Schlüsselbranche ausweiten“, so Flege weiter. „Nach dem Corona-Einbruch kann die Politik so den Anschub geben, damit die Umsetzung des Deutschlandtaktes beginnt und vor Ort die Verkehrswende mit leistungsfähigen Nahverkehrsbahnen gelingt.“

Tobias Heinemann sprach sich in diesem Zusammenhang für eine „deutliche Aufstockung der Regionalisierungsmittel“ aus. Heinemann: „Die großartigen Leistungen und Erfolge der Nahverkehrsbahnen spiegeln sich nicht in den betriebswirtschaftlichen Bilanzen der Eisenbahnverkehrsunternehmen wider.“ Unerwartete Kostensteigerungen belasteten nicht nur einzelne Unternehmen, sondern gefährdeten zunehmend auch die Wettbewerbsvielfalt im Regionalverkehr. „Eine Reduktion der Abgabenlast und die Erhöhung der Regionalisierungsmittel sind unverzichtbar, um die künftigen Angebotsausweitungen zu finanzieren“, so Heinemann.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht die Sache anders. Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende: „Die zentrale Frage muss doch sein: Was trägt dazu bei, die Klimaziele besser und schneller zu erreichen? In anderen Ländern in Europa finden wir sowohl Beispiele für erfolgreiche integrierte Eisenbahnkonzerne mit klarem, politischem Auftrag als auch für erfolgreiche Wettbewerbssysteme. Von Staatsbahnen wie der österreichischen ÖBB profitieren vor allem benachteiligte, schlechter angebundene Regionen und Menschen mit geringerem Einkommen.“ Einen Börsengang lehnt man ab. Haarmann: „Wir fordern, dass Gleise und Stationen nicht mehr wie bisher Dividenden für den Gesamtkonzern erwirtschaften müssen. Statt das DB Netz an Gewinnzielen auszurichten, sollten ausschließlich klare Gemeinwohlziele haben.“

Siehe auch: Die Signale stellen

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