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Die Parodie eines Wirtschaftskrimis

25.11.21 (go.Rheinland, Hessen, Kommentar, Nordrhein-Westfalen, NWL, Verkehrspolitik, VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Es hat natürlich was von einer Parodie auf einen Wirtschaftskrimi, was man hier erleben muss: Es fängt schon damit an, dass nicht nur mit Abellio, sondern auch mit anderen Marktakteuren seit Anfang 2020 über Vertragsanpassungen verhandelt worden ist. Dass diese in einem Zeitraum von anderthalb Jahren nicht über die Bühne gebracht worden sind, ist für die gesamte Eisenbahnbranche, aber auch für die dahinterstehende Politik alles andere als ein Ruhmesblatt.

Nun ist es wohl tatsächlich so, dass es für die Netze RRX und S-Bahn Rhein-Ruhr keine Perspektive gibt, diese soweit hinzubiegen, dass sie für alle erträglich zu fahren sind. Da ist es durchaus erstmal nichts unübliches, dass man sich auf Auflösungsverträge einigt, in denen der Betreiber vielleicht auch eine Abfindung zahlt, aber dennoch vorzeitig versucht, aus der Nummer herauszukommen. Denn am Ende, wenn eine harte Insolvenz eintreten sollte (ein Schutzschirmverfahren ist genau das noch nicht), dann stehen am Ende alle mit leeren Händen da.

Nun wird eine Zahl kolportiert, von der man ausgehen kann, dass sie stimmt: 380 Millionen Euro werden für die Aufgabenträger Mehrkosten fällig im Vergleich zu einem Stand, bei dem alle Abellio-Verträge ohne Änderung bis zum letzten Tag weitergelaufen wären. Diese werden nicht, um auch hier Missverständnissen vorzubeugen, an einem Tag oder mit einer Zahlung fällig, sondern sie verteilen sich auf den Zeitraum der Verkehrsverträge, die teilweise erst im Dezember 2034 ausgelaufen wären. Dennoch ist das eine ordentliche Hausnummer.

Ende letztes Jahres hatte Nordrhein-Westfalen knapp 880 Millionen Euro. Wir reden also über doch erhebliche Summen. Auf der anderen Seite: Gerade weil ausreichend Geld da ist, gibt es eben keinen Grund, seine Betreiber am langen Arm verhungern zu lassen. Es ist für mich als Außenstehenden in jedem Fall nur schwer zu glauben, dass eine wie auch immer geartete Einigung teurer geworden wäre als diese 380 Millionen Euro.

Klar: Es ist nicht Aufgabe der öffentlichen Hand, defizitäre Unternehmen zu retten und in der Tat muss man genau gucken, wo man aufgrund externer Ursachen Kostensteigerungen hat und wo so ein Unternehmen selbst verantwortlich ist. Vielleicht gibt es ja tatsächlich noch die Hoffnung, dass Abellio bei der Notvergabe zum Zuge kommt. Nicht, weil ich anderen Akteuren das Geschäft nicht gönnen würde, sondern weil ich der Auffassung bin, dass sich ein verschwindendes Unternehmen so ohne weiteres nicht mehr wiederholen lässt.

Der vielfach zitierte Erstellermangel ist derzeit noch nicht vorhanden. Aber man sollte durchaus versuchen, ein Unternehmen, das immer wieder als Qualitätsführer aufgefallen ist, soweit zu erhalten, dass man auch in Zukunft damit planen kann. Das Vergabevolumen ist konstant hoch, die Resonanz muss es auch sein, um vernünftige Ergebnisse zu kriegen. Wo sind all die Leute, die immer nach politischen Lösungen rufen, wenn ihnen die pure Ausführung rechtlicher Bestimmungen gerade nicht gefällt? Auch hier brauchen wir eine politische Lösung für Abellio.

Siehe auch: Abellio: Vergabeentscheidung am 9. Dezember
Foto: Abellio GmbH

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