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Abellio: Showdown in NRW

15.11.21 (Nordrhein-Westfalen) Autor:Stefan Hennigfeld

In der letzten Woche spitzten sich die Verhandlungen über Vertragsanpassungen bei der Abellio Rail NRW GmbH weiter zu. Am Mittwochabend haben die Aufgabenträger zunächst verlautbaren lassen, dass sie davon ausgehen, im Februar neue Betreiber beauftragen zu müssen. Im Vorfeld sollen NWL und NVR einem Angebot von Abellio zugestimmt haben, der VRR allerdings nicht. Am Freitagabend wurde ein verbessertes Angebot durch Abellio vorgelegt, die Entscheidung steht unmittelbar bevor.

Für den Fall einer Nicht-Einigung ermitteln die Aufgabenträger derzeit in einer sogenannten Ex-Ante-Ausschreibung zur Direktvergabe. Die entsprechenden Vorbereitungen sind bereits in die Wege geleitet worden, indikative Angebote von anderen EVU sind schon eingegangen. Oberste Priorität bei der kurzfristigen Neuvergabe hat die Absicherung von Zuverlässigkeit und Qualität auf den derzeit von Abellio betriebenen Linien. Das sind Teilnetze der S-Bahn Rhein-Ruhr und des Vorlaufes zum Rhein-Ruhr-Express. Dazu kommt der Betrieb auf der Müngstener Brücke sowie die Elektronetze Niederrhein und Ruhr-Sieg.

„Wir haben mit überarbeiteten Verkehrsverträgen, die Abellio wesentlich entlasten würden, ein verbindliches Angebot unterbreitet und sind in den Gesprächen der vergangenen Wochen und Monate bis an die Grenzen des Möglichen gegangen, um eine Lösung zu finden“, sagt VRR-Vorstandssprecher Ronald Lünser, der selbst lange Zeit bei Abellio tätig war.

Zuletzt waren zahlreiche Betreiber in Nordrhein-Westfalen auf die Aufgabenträger zugekommen, weil die Verkehrsverträge in die roten Zahlen gelaufen sind. Seit Anfang 2020 laufen Verhandlungen. Dabei wurde das Konzept Verkehrsvertrag 2.0 erarbeitet, das für die Verkehrsunternehmen zwar deutlich härtere Strafen bei selbstverschuldeten Schlechtleistungen vorsieht, diese sollen jedoch entlastet werden, wenn Züge wegen defekter Infrastruktur ausfallen oder aus anderen nicht vom Betreiber verursachten Problemen verspätet sind.

„Mit diesem Gestaltungsspielraum im Rahmen des Projekts Verkehrsvertrag 2.0 haben wir ein deutliches Signal für Wirtschaftlichkeit und Qualität gesetzt“, sagt Joachim Künzel, Geschäftsführer des NWL. Künzel wechselte vor einigen Jahren von DB Regio zum Aufgabenträger NWL. Neben DB Regio gibt es aber auch andere Interessenten, die für einen Übergangszeitraum die Leistungen von Abellio übernehmen würden.

Künzel: „Wir haben aus den Erfahrungen der Vergangenheit konkrete Schlüsse gezogen und die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb im SPNV neu definiert. Damit stellen wir ein hochwertiges Angebot für unsere Fahrgäste sicher und beleben gleichzeitig den Wettbewerb neu. Dieses Angebot ist in jüngster Vergangenheit beispielsweise von Unternehmensführung und Gesellschafter der Keolis Deutschland GmbH konstruktiv und zielführend aufgenommen worden.“

Am Freitagabend hat Abellio den Aufgabenträger in Zusammenarbeit mit dem niederländischen Gesellschafter noch einmal ein wetieres Angebot vorgelegt. Dieses umfasst umfangreiche Verlustübernahmen und Barauszahlungen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages. Das Unternehmen erklärt sich bereit, die Verkehre in den Netzen S-Bahn Rhein-Ruhr und Rhein Ruhr-Express (RRX) bis Dezember 2023 fortzuführen.

Zudem soll mit dem finanziellen Beitrag der Betrieb im Ruhr-Sieg-Netz, im Niederrhein-Netz und auf der S7 bis zum Ende der Verkehrsvertragslaufzeit 2028 bzw. 2034 gewährleitet werden. In einer Pressemeldung heißt es: „Der finanzielle Beitrag, mit dem auch eine langjährige juristische Auseinandersetzung abgewendet werden soll, schafft dazu Planungssicherheit für alle Akteure. Abellio ist überzeugt, dass die im Raum stehende Lösung für die Aufgabenträger, die Beschäftigten und die Fahrgäste die bestmögliche Lösung darstellt und dem SPNV in NRW eine langfristige Perspektive gibt.“

Nachdem NWL und NVR bereits dem vorherigen Angebot zugestimmt haben, kommt es nun auf die Gremien des VRR an. Ein Blick auf die weiteren operativen Gesellschaften in den Regionen, in denen Abellio tätig ist, zeigt, dass Lösungen möglich sind. So konnte mit den Aufgabenträgern in Mitteldeutschland bereits im September 2021 eine Langfristperspektive bis 2030 vereinbart werden. Auch die Verkehre der Westfalenbahn wurden bis 2030 im Abellio-Konzern gesichert. Ein Verbleib der Dienstleistungs-Tochter PTS GmbH im Konzern ist ebenfalls bereits gewährleistet. Die Geschäfte in Baden-Württemberg werden an die landeseigene SWEG übergeben.

Siehe auch: Gute Lösungen finden

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