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Gute Bahnhöfe locken Menschen an

04.10.21 (Kommentar, Nordrhein-Westfalen) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Bahnhof, so sagt man, ist die erste Visitenkarte einer Stadt. Hier reisen die Leute an und hier reisen sie auch wieder ab. Zumindest war es so, bevor das Automobil die Welt verändert hat. Mit den autogerechten Städten der Bonner Republik und dem Niedergang der Eisenbahn durch die Misswirtschaft der alten Behördenbahn wurden viele Bahnhöfe zu Umschlagplätzen für den Rauschgifthandel, zum Treffpunkt für Obdachlose und zum Brennpunkt für Kriminalität.

Immer mehr Menschen fuhren mit dem Auto, das Eisenbahnangebot wurde zurückgefahren. Zahlreiche kleine Strecken fielen dem Kahlschlag zum Opfer, vergeblich hat die Behördenbahn auf diese Art und Weise versucht, wirtschaftlicher zu werden. Entsprechend sind Bahnhöfe verfallen und niemand hielt sich dort gern auf. Bei der Eisenbahnreform in den 1990er Jahren war es bereits zu spät und oftmals ist der Betrieb soweit umgebaut worden, dass Fahrgäste die Bahnhofsimmobilien nicht mehr betreten müssen – zumindest nicht zum Zwecke der Reise.

Aus ehemaligen Buchhandlungen, Friseuren, Cafés oder Restaurants rund um die Bahnhöfe wurde Leerstand, eingeschlagene Fensterscheiben blieben kaputt oder wurden lieblos durch Sperrholz ersetzt. Als die DB AG dann an die Börse wollte, waren diese Immobilien allenfalls noch Tafelsilber, das es zum Zwecke der Bilanz zu verscherbeln galt. Dass es jetzt in eine andere, eine bessere Richtung geht, ist natürlich zu begrüßen.

Endlich sollen die Bahnhöfe wieder schöner werden, sie sind nicht selten der Mittelpunkt der Innenstadt und sie können kulturelle und wirtschaftliche Zentren sein. Dass man sich ausgerechnet in Witten getroffen hat, ist dabei sicherlich kein Zufall, denn hier in Witten hat ein privater Investor ein ehemals verfallenes Bahnhofsgebäude aus dem Dornröschenschlaf geholt. Ein einst repräsentatives Empfangsgebäude erfüllt diesen Zweck heute wieder.

Das allein reicht aber nicht. Denn ein Bahnhof hat in jedem Fall auch eine betriebliche Komponente, die wichtig ist, wenn die Eisenbahn ein ernsthafter Verkehrsträger sein (oder erst werden?) soll, um Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Dazu gehören Aufzüge und Rolltreppen ebenso wie Fahrgastinformationen, vernünftige Wetterunterstände und vieles mehr.

Da nutzt es auch wenig zu sagen, dass die Zeiten, in denen man sich bei der DB AG für Vandalismusschäden nicht interessiert hat, vorbei seien, dass das halt unter Mehdorn so war, aber heute nicht mehr. Nein, hier muss es wirksame Kontrollmechanismen geben, wie man sie auch in den Verkehrsverträgen mit den Verkehrsunternehmen hat.

Wenn ein Aufzug zum Bahnsteig kaputt ist, dann müssen die Stationsgebühren genauso pönalisiert werden wie die kaputte Tür beim Zug. Insbesondere wenn Defekte über Monate hinweg einfach nicht beseitigt werden, muss es Druckmittel durch die Aufgabenträger geben, bis hin zur für den Infrastrukturbetreiber kostenpflichtigen Ersatzvornahme. Hier ist der Gesetzgeber einer neuen Koalition gefordert, das Recht fortzuschreiben und die Rahmenbedingungen zu verbessern.

Siehe auch: Bahnhofsprogramm in Nordrhein-Westfalen
Foto: F. Berger / MHKBG NRW

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