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Den Markt erhalten

28.10.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist in der Tat das wichtigste, dass mögliche Neuverhandlungen und die Öffnung laufender Verkehrsverträge nicht nur einem, sondern allen Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung stehen, denn für alle haben sich die Marktbedingungen verändert. Sie alle leiden unter einem sich vervielfältigenden Baustellenaufkommen, unter gestiegenen Personalkosten und all den Faktoren, die dafür gesorgt haben, dass einst auskömmliche Verträge in die roten Zahlen gelaufen sind.

Aus diesem Grund ist es eben nicht nur das eine Unternehmen, das jetzt im Schutzschirmverfahren ist, sondern die gesamte Branche, die mit den Aufgabenträgern über Geld sprechen möchte und muss. Dass es für die Aufgabenträger teurer wird, ist leider unumgänglich, aber solange es noch einen funktionierenden Wettbewerb auf der Schiene gibt, hat man die Gewährleistung, dass zu marktnahen Preisen gefahren wird.

Was aber marktnahe Preise sind, das definieren die Aufgabenträger im Rahmen ihrer Vergaben selbst mit. Je mehr Risiken vom ersten Tag an eingepreist werden müssen, desto teurer wird es. Umgekehrt kann man bei einer Risikoaufteilung zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber dafür sorgen, dass bei weniger Baustellen oder einer sich verbessernden Infrastrukturqualität auch die Kosten sinken, weil es weniger Probleme gibt.

Ein einfaches Beispiel: Auf der rund zwanzig Kilometer langen Strecke zwischen Neuss und Krefeld gibt es rund 14 Bahnübergänge und Störungen an einem dieser Bahnübergänge gehören dort zum betrieblichen Alltag. Die Infrastruktur verfällt trotz gestiegener Bauaktivitäten. Kosten entstehen hierbei regelmäßig dem Betreiber, nicht aber dem Infrastrukturunternehmen. Dabei liegt es in der Verantwortung des Betreibers, ausreichend Personal zu haben und dafür zu sorgen, dass die Züge sauber sind und funktionieren. Für kaputte Bahnübergänge können diese nichts, deshalb darf so ein Zugausfall auch nicht genauso bewertet werden wie ein Zugausfall, der wegen Personalmangel oder nachlässiger Wartung entstanden ist.

Gefordert ist hier auch die neue Bundesregierung: Es muss in der Eisenbahnregulierung klare Regelungen für Schlechtleistungen auch bei den Infrastrukturbetreibern geben. Dann werden die Trassen- oder Stationsgebühren eben gekürzt und wenn die Probleme immer wieder auftauchen, dann kann es richtig teuer werden. Denn der Grundsatz „Ökonomischer Druck erzeugt Leistung“ gilt auch hier.

Das muss dann bis hin zum Recht auf Ersatzvornahme durch den Aufgabenträger oder die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde gehen. Hier muss man sicher dicke Bretter bohren, aber gerade jetzt, wenn eine komplett neue Bundesregierung ihr Amt antritt, gibt es immer auch Chancen auf große Veränderungen. Entscheidend ist dass die Eisenbahnpolitik nicht im Bahntower gemacht werden darf, sondern in der Bundesregierung: Sei es im Bundeskanzleramt oder sei es im Bundesverkehrsministerium. Hier müssen sich die Akteure entsprechend aufstellen und eine starke Lobby für eine marktwirtschaftliche Schiene schaffen.

Siehe auch: NRW: Ex-Ante-Ausschreibung der Abellio-Linien
Foto: Abellio GmbH

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