Vier weitere Jahre Eisenbahnpolitik
27.09.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Deutschland hat gewählt und wir kriegen einen neuen Bundeskanzler: Nach 16 Jahren endet die Amtszeit von Angela Merkel, die damit länger als Konrad Adenauer und nur geringfügig kürzer als Helmut Kohl die mächtigste Person im Land war. Wer weiß, wie lange sich mögliche Koalitionsverhandlungen hinziehen. Zur Erinnerung: Die letzte Bundesregierung wurde erst im März 2018 vereidigt, ein halbes Jahr nach den letzten Wahlen.
Was wird in den nächsten Jahren aus der Schiene? Die Eisenbahnpolitik wurde nicht nur unter Angela Merkel im Bundeskanzleramt gemacht, nicht im Bundesverkehrsministerium. So war es auch schon unter Gerhard Schröder als der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn einseitig die Ablösung von Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig fordern konnte. Schon die Eisenbahnreform 1994 und die Regionalisierung 1996 waren direkte Kanzlerentscheidungen. Es war Helmut Kohls Bahnreform, nicht die des damals amtierenden Bundesverkehrsministers Matthias Wissmann.
Und so stehen für die Eisenbahn der Zukunft jetzt wieder wichtige Fragen an: Wir wollen einen Deutschlandtakt, aber wissen inzwischen sicher, dass dieser nicht realisierbar ist, wenn der Bund sich weiterhin weigert, den SPFV hoheitlich zu organisieren. Gleichzeitig wollen wir die Eisenbahn insgesamt stärken, aber diverse Projekte von Streckenreaktivierungen, Leistungsausweitungen und ähnlichem sind in den letzten Jahren an allem möglichen gescheitert – nicht am fehlenden Geld.
Wir wissen, dass es bundesweit Ende 2017 rund vier Milliarden Euro nicht verausgabte Regionalisierungsgelder gab. Aktuellere Zahlen liegen nicht vor und scheinbar gibt es weder auf Bundes-, noch auf Landesebene Verkehrspolitiker, die sich im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage für diese Thematik interessieren. Wir wissen also nicht, ob inzwischen deutlich mehr Geld gebunkert wird oder ob die Rücklagen durch die Corona-Krise aufgezehrt worden sind.
Was wir aber wissen ist dass zahlreiche Marktakteure erheblich in Schieflage geraten sind, weil die Verkehrsverträge im großer Zahl in die roten Zahlen gelaufen sind. Das betrifft nicht nur den einen Akteur, der sich derzeit im Schutzschirmverfahren befindet, sondern es betrifft so gut wie die ganze Branche. Künftige Verkehrsverträge müssen anders ausgestaltet sein, vor allem braucht es eine völlig andere Risikoaufteilung zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern. Ansonsten wird man alsbald nur noch einen einzigen Bieter haben und dessen Preise werden dann so sein, wie sie bei Monopolen üblich sind.
Dabei sind sich doch alle einig, dass die Schiene besser werden soll. Das geht aber nur, wenn die dort aktiven Unternehmen langfristig die Möglichkeit haben, gewinnträchtig zu arbeiten und nicht auf Verlustausgleiche von (in- oder ausländischen) Gesellschaftern angewiesen sind. Das wird nämlich nicht funktionieren. Das ist aber größtenteils kein Bundesthema, sondern hier sind die Länder und ihre Aufgabenträger gefordert. Die Bundesregierung kann hier aber eine Vermittlerrolle einnehmen, denn die Schiene geht uns alle an.
Foto: Didgeman