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Sich ehrlich machen

16.09.21 (Bayern, Kommentar, München) Autor:Stefan Hennigfeld

Bayern prägt das Bild Deutschlands in der Welt – nicht nur im Fußball, sondern ganz generell. Für Amerika, Asiaten und Australier ist Deutschland oft gleichbedeutend mit dem Oktoberfest, mit Schloss Neuschwanstein oder mit großen Bierkrügen. Erst weit dahinter kommen der Kölner Dom mit seinen kleinen Bierstangen oder das Brandenburger Tor.

Bayern ist aber auch ein Land der Gegensätze: Der öffentliche Nahverkehr in der Hauptstadt München ist vorbildlich und er wird immer weiter ausgebaut. Sei es mit kleinen Leistungsausweitungen, sei es mit großen Lösungen wie der zweiten S-Bahnstrecke. Auf der anderen Seite zeigen die schlechten Anbindungen auf dem Land auch, dass es nicht reicht, ein tolles S- und U-Bahnnetz in Nürnberg und München aufzubauen.

Wie sieht es beispielsweise mit der Anbindung kleiner Dörfer an den SPNV aus? Gibt es Buslinien vom nächsten Bahnhof aus? Sind diese Buslinien mit ihren Fahrplänen auf den Eisenbahnverkehr abgestimmt oder hat man nach wie vor ein Fahrplanprinzip von Kraut und Rüben? Man kann auch in die kleinsten Dörfer einen integralen Taktfahrplan anbieten.

Sicher muss da nicht alle fünf oder zehn Minuten was fahren, aber unter Umständen erleichtert schon ein Zwei-Stunden-Takt das Leben: mit dem Bus zum nächsten Bahnhof und von dort aus weiter nach Augsburg, München, Nürnberg oder Würzburg. Das geht sehr wohl, wenn man sich denn mit den spezifischen Bedingungen des ländlichen Raumes auseinandersetzt.

Es bedarf aber auch einer gewissen Selbsterkenntnis. So hat vor einigen Jahren der damalige Bahnchef Rüdiger Grube Schloss Neuschwanstein besucht, weil es ja ein Fahrtziel Natur sein soll. Wie der damalige oberste Eisenbahner Deutschlands hingekommen ist, blieb verborgen: Vielleicht mit dem Dienstwagen oder gar mit dem Flugzeug? Sollte er gar den Regionalzug von München nach Füssen genommen haben und dann mit dem Linienbus nach Schwangau gefahren sein? Man weiß es nicht.

Was man aber sagen kann ist dass die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln dort teilweise sehr zu wünschen übrig lässt. Besonders skurril wird es, wenn die DB AG auf ihrer Internetseite behauptet, der Lechfall zwischen Füssen und Reutte in Tirol sei gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Das ist einfach nicht wahr. Natürlich kann man einen Spaziergang durch die Füssener Innenstadt machen und irgendwann am Lechfall rauskommen, aber eine gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sieht anders aus.

Und gerade die wohlhabenden ländlichen Regionen Bayerns könnten es sich leisten: Man hat hier keine überalterten Gesellschaften, man hat faktisch Vollbeschäftigung und es geht den Menschen gut. Das Geld wäre da, Busse und Bahnen soweit auszubauen, dass man zumindest eine dem ländlichen Raum angemessene Grundversorgung hat. Dazu gehört auch der Spätzug von Kaufbeuren nach Füssen, die Verbindung am Sonntagmorgen und vieles mehr. Auch auf dem Land muss man Mobilitätsverfügbarkeit jenseits des eigenen Autos sicherstellen.

Siehe auch: Licht um Schatten im bayrischen Nahverkehr
Foto: ArtTower

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