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Guter Bieter gesucht

09.09.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es wird gesucht: Ein leistungsfähiges Eisenbahnverkehrsunternehmen, das in den kommenden Jahrzehnten die grenzüberschreitenden Leistungen zwischen Berlin und Stettin betreiben wird. Dazu ist notwendig, eine vollständige Zulassung auf dem deutschen und dem polnischen Eisenbahnnetz zu haben, ebenso müssen die Gesellschafter branchenübliche Bürgschaften oder Patronatserklärungen hinterlegen.

DB Regio wird mit Sicherheit dabei sein. Sollte sich kein anderer finden, dann wird der Preis nicht etwa deshalb hoch sein, weil in der Wüste das Wasser teurer ist, sondern die Vertreter des Konzerns werden es ausführlich und in sich schlüssig begründen: Die Risiken, gerade über eine Vertragslaufzeit von anderthalb Jahrzehnten, sind erheblich. Die bundesweit während der Laufzeiten defizitär gewordenen Verkehrsverträge zeigen, dass erhebliche Kostensteigerungen möglich sind. Wenn der Aufgabenträger nicht bereit ist, sich an diesen zu beteiligen, muss und wird DB Regio das akzeptieren.

Umgekehrt heißt das aber auch, dass der ehemalige Monopolist solche Risiken vom ersten Tag an bei der Preisfindung berücksichtigen muss, um selbst für den Fall eintretender Worst-Case-Szenarien noch immer eine auskömmliche Finanzierung und ein positives Gesamtergebnis zu erzielen. Das gilt im einzelnen Betriebsjahr ebenso wie gemessen auf die gesamte Vertragslaufzeit inklusive der Anschubkosten während der Vorbereitungen zur Betriebsausnahme.

Was passiert denn, wenn man im Jahr 2034 auf einmal die sechsfache Bauaktivität hat im Vergleich zum Status Quo hat? Wer kommt für die Risiken auf, wenn nach einem möglichen Hochwasser irgendeine Eisenbahn-Flussquerung für mehrere Monate nicht passierbar ist? Inwieweit werden sich die Aufgabenträger an womöglich stärker als bislang steigenden Lohnkosten beteiligen, wenn der Abschluss solcher Tarifverträge 1. sicherstellt, dass man überhaupt ausreichend Personal hat und 2. verhindert, dass es monatelange Streikaufrufe gibt, die dem System Eisenbahn nachhaltig schaden?

All diese Fragen werden sich potentielle Bieter stellen und dann entscheiden, ob es angezeigt ist, sich an der Ausschreibung zu beteiligen oder das besser nicht zu tun. Darüber hinaus gibt es ja durchaus auch Big Player im Markt, die im Moment sowieso erst eine Klärung über die Situation ihrer Bestandsverträge haben möchten, bevor man sich weitere Vergabeobjekte ans Bein bindet.

Auch das ist aus deren Sicht verständlich, für die Aufgabenträger ist es allerdings ein Problem. Deshalb gilt es nun, bei der Ausgestaltung künftiger Verkehrsverträge die langfristigen Bedürfnisse aller Vertragsparteien so zu berücksichtigen, dass jeder einzelne auskömmlich finanziert ist.

Schlechtleistungen müssen pönalisiert werden. Probleme, die nicht der Verkehrsbetreiber zu verantworten hat, kann man diesem allerdings nicht aufbürden. In der neuen Legislaturperiode wird der Gesetzgeber gefordert sein, auch dem Infrastrukturbetreiber gegenüber gewisse Regelungen zu definieren, die auch diesen in die Pflicht nehmen. So kann eine gute Eisenbahn gelingen.

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