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Engagement lässt sich nicht mit Geld erkaufen

30.08.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Sehen wir uns die Lebensrealität vieler Menschen an, die gerade nicht in Berlin-Mitte, am Münchener Marienplatz oder in fußläufiger Entfernung zur Kölner Domplatte leben, dann ist die Fahrtzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Vergleich zum eigenen Auto oftmals erheblich länger. Erstmal muss ich zum Bahnhof kommen. Da fährt vielleicht ein Bus, vielleicht aber auch nicht.

Möglicherweise habe ich eine lange Wartezeit, weil der Busfahrplan von einem kommunalen Planungsamt aufgestellt wird, das sich jedwede Einmischung durch den SPNV-Aufgabenträger verbittet. Da wird aus einer Viertelstunde mit dem Regionalexpress gerne auch mal eine Viertelstunde Wartezeit am Bahnhof und dazu eine ebensolange Busfahrt, während man mit dem Auto doch in zwanzig Minuten am Ziel wäre.

Das womöglich trotz des Staus auf der Autobahn, doch da habe ich einen garantierten Sitzplatz, mein eigenes Unterhaltungsprogramm mit dem Autoradio und vor allem meine Ruhe. Wenn man dann den Freizeitverlust auf den Monat oder gar das Jahr hochrechnet, stellt sich oft schnell heraus, dass selbst die Mehrkosten, die beim Autofahren entstehen, die hinzugewonnene Freizeit wert sind.

Gefordert ist hier nicht nur der Bund. Die Milliardensummen nicht verausgabter Regionalisierungsgelder belegen, dass der Eisenbahnverkehr im Land mehr als nur auskömmlich finanziert ist. Es braucht eine gute Zusammenarbeit in den Ländern: Die Aufgabenträger und Kommunen müssen gemeinsame Konzepte erarbeiten und umsetzen.

Lange Zeit war ich auch der Auffassung, dass ein SPNV-Aufgabenträger auch bei der Planung des kommunalen Angebots ein Durchgriffsrecht braucht. Auf der anderen Seite kann man nicht jedesmal eine „höhere Stelle“ zur Hilfe rufen, wenn in den Kommunen schlecht gearbeitet wird.

Wenn der Regionalexpress mit Doppeldecker-Waggons in der Stadt mit 20.000 Einwohnern erstmals nicht mehr durchfährt, sondern anhält, dann feiert sich so manch ein Bürgermeister gerne dafür. Wenn aber Planungen ausgearbeitet werden sollen, die Güterzugstrecke am anderen Ende der Stadt wieder für den SPNV zu reaktivieren – in einigen Jahren, nachdem man umfassende Konzepte erarbeitet hat – dann ist das Engagement ebenjener Bürgermeister und Wahlkreisabgeordneten doch überschaubar.

Dabei sind das genau die Leute, die man braucht, die vor Ort Engagement zeigen müssen, auch um den Preis, dass zählbare Ergebnisse erst in der Amtsperiode eines möglichen Nachfolgers zu sehen sein werden. Geld in ausreichend vorhanden, man braucht vor allem die Leute, die den Wert der Schiene erkennen.

Das kann man nicht von oben herab steuern, auch wenn es sicherlich Erfolgsmodelle gibt, die man sich ansehen und denen man nacheifern kann. Die Allianz pro Schiene gibt ihre regelmäßig aktualisierte Broschüre Stadt, Land, Schiene heraus. Doch diese Macher-Mentalität, die zwar gelegentlich beschworen, aber nur selten gesehen wird, brauchen wir überall. Eine bessere Schiene, eine Verkehrswende lassen sich nicht von oben anordnen. Man muss es halt machen.

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