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Deutschlandtakt: Diesmal aber voll wirklich und in echt

23.08.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Als CDU, CSU und SPD sich im Herbst 2013 auf ihren Koalitionsvertrag geeinigt haben, hieß es: Hurra, der Deutschlandtakt kommt. Endlich hat sich die Politik überzeugen lassen. Jetzt, acht Jahre und zwei Legislaturperioden später sehen wir: Gar nichts ist passiert. Natürlich gibt es einzelne Infrastrukturmaßnahmen, die man planen und auch bauen kann, wenn das Geld da ist, aber wo bleibt die Flächenerschließung? Wo bleiben die vernünftigen Vertaktungen zwischen SPFV, SPNV und kommunalem Verkehr? Was passiert gerade in den Klein- und Mittelstädten?

Es gibt heute noch Städte, da ist um 19 Uhr Betriebsschluss und bis 22 Uhr fährt noch ein vermeintliches „Nachtnetz“. Es gibt Städte, da wartet man nach 20 Uhr am Hauptbahnhof 55 Minuten auf den Bus, der einen nach Hause bringt, weil es den Dorfschulzen und Kommunalfürsten bei der Planung ihrer Bussterne völlig egal ist, wann welche Züge am Hauptbahnhof ankommen. Zahlreiche Leistungsausweitungen oder Streckenreaktivierungen im SPNV sind in den letzten Jahren an allen möglichen Dingen gescheitert, aber nur noch selten am Geld.

Angesichts der hohen Summen nicht verausgabter Regionalisierungsgelder ist das Narrativ der vermeintlich leeren Kassen und untersubventionierten Schiene ohnehin nur noch folkloristischer Natur. Die Probleme sind an anderer Stelle zu suchen: Fehlendes Interesse vor Ort, schlechte Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren und oftmals Stadtverwaltungen, die sich aus absurder Eitelkeit Einmischungen in ihre Busplanungen verbitten.

Auch im Fernverkehr muss man sich überlegen, wie denn der flächendeckende Anschluss organisiert werden soll. Artikel 87e des Grundgesetzes sieht den Bund in der Pflicht und verpflichtet diesen, ein Gesetz zu erlassen, in dem die Organisation geregelt wird, dieses Bundesgesetz existiert aber nach wie vor nicht. Zweimal hat der Bundesrat auf Initiative einiger Landesregierungen einen Gesetzesentwurf verabschiedet, beide sind aber nie im Bundestag diskutiert worden.

Nun kann man sich staatsrechtlich unterhalten, inwieweit der Bundestag verpflichtet ist oder werden sollte, über im Bundesrat verabschiedete Gesetze zumindest zu debattieren und abzustimmen. Konkret aber stellt sich die Frage, ob wirklich DB Fernverkehr (oder wer anders auf Basis eines Bundestarifes) bereit ist, das alles eigenwirtschaftlich abzudecken. Dazu kommen Aufgabenträger, die zumindest in einigen Regionen durchaus bereit zu sein scheinen, SPFV-Leistungen aus Regionalisierungsgeldern zu alimentieren und faktische Direktvergaben an die DB AG durchzuführen.

Was aber passiert, wenn der eine Aufgabenträger einen vergaberechtswidrigen Deal macht, der andere diesen aber nicht mitgeht? Werden dann Linien an den Verbundgrenzen gebrochen? Ein Beispiel sieht man in Nordrhein-Westfalen, wo der NWL einen vermeintlichen InterCity alimentieren wird, der VRR dies aber nicht mitmacht. Nein, wir brauchen einen organisierten und öffentlich bestellten Fernverkehr. Auch gegen den Widerstand der DB AG.

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