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Der Erfolg des Wettbewerbs

26.08.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn wir uns die Eisenbahn dieser Tage angucken, dann stellen wir fest, dass das große Chaos ausgeblieben ist. Zuletzt hat die GDL im Jahr 2015 bei der DB AG zu Ausständen ausgerufen und bereits damals konnte man sehen, dass die nicht betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen fröhlich ihre Runden gedreht haben. Das ist jetzt noch deutlich stärker der Fall als vor einigen Jahren.

Viele Linien fahren und die, die entweder gar nicht oder nur mit einem stark eingeschränkten Fahrplan unterwegs sind, haben dennoch keinen Totalausfall. So muss man eben die eine oder andere Fahrt mit dem Stadtbus statt mit der S-Bahn machen, auch wenn es länger dauert. Problematisch wird es, wenn im großen Stil Stellwerke bestreikt werden.

Jetzt, da die GDL auch für ortsfeste Eisenbahner geöffnet ist, wird das perspektivisch ein noch größeres Problem. Doch ein ganzes Stück weit ist die DB AG auch selbst Schuld: Erst macht man einen Abschluss mit der EVG (manche nennen sie die Hausgewerkschaft des Konzerns), inklusive einer Vereinbarung, wonach ein Tarifvertrag jederzeit gekündigt werden kann, wenn die GDL etwas besseres aushandelt.

Dann verlangt man von ebenjener GDL eine Verpflichtung, sich dauerhaft auf das zu beschränken, was man mit der EVG ausgemacht hat. Das käme einer faktischen Selbstauflösung der GDL gleich und das kann diese selbstverständlich unter gar keinen Umständen machen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch ich habe hier schon so manche Forderung der GDL über die Jahre kritisiert.

Es geht aber hier nicht um einzelne Forderungen, sondern um die Koalitionsfreiheit und die Existenzberechtigungen von mitgliedergetragenen Gewerkschaften. Dabei wissen wir auch aus zahlreichen Stellenanzeigen im Eisenbahnwesen, dass die Arbeitgeber in ihre Annoncen sehr gerne reinschreiben, dass sie Tarifpartner der GDL sind. Sollte sich diese Auseinandersetzung noch einige Wochen oder Monate hinziehen – und davon ist auszugehen – wird es sicherlich auch wieder Debatten über die Verhältnismäßigkeit der Ausstände geben.

Tatsächlich muss ein Streik stets verhältnismäßig sein. Ob das jährliche Verdi-Ritual mit 24 oder 48 Stunden Warnstreik im kommunalen ÖPNV verhältnismäßig ist, sei dahingestellt. Hier haben wir aber einen hohen Eskalationszustand: Es gibt nicht nur eine deutliche Urabstimmung für den Streik, sondern es gibt auch eine im November letzten Jahres gescheiterte Schlichtung. Die Zahl gescheiterter Schlichtungsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland kann man wohl an einer Hand abzählen.

Dennoch sind die Streiks stets zeitig und mit einem Enddatum versehen. Ich sehe hier auch kein Ende der Auseinandersetzung, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Umso wichtiger ist es, die wettbewerblichen Strukturen auf der Schiene zu erhalten. So kann ein Unternehmen in Probleme geraten, aber die Schiene selbst kommt nicht völlig ins Schlingern. Abellio fährt, die Eurobahn fährt, National Express fährt, der Metronom fährt, die ODEG fährt. Das ist ein Erfolg des Wettbewerbs.

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