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Überlebensfähigkeit sichern

29.07.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Alle Jahre wieder schreiben kluge Köpfe vernünftige Sachen in ihre jeweils aktuellen Sektorgutachten, nur um dann von der Politik ignoriert zu werden. Selbstverständlich will man immer „mehr Geld für die Schiene“ zur Verfügung stellen und sei es, wie anfangs geplant, dass der Bund jedes Jahr eine Kapitalerhöhung von einer Milliarden Euro in die DB AG einzahlt.

Sollte nicht der Börsengang unter Mehdorn auch in Form einer Kapitalerhöhung stattfinden? Also sprich: Man verkauft ein Teil des Unternehmens, aber das dabei generierte Geld fließt nicht an den Verkäufer (der daraus z.B. das Bundeseisenbahnvermögen entschulden könnte), sondern auch das Verkaufsobjekt? Begründet wurde das damals alles mit der vermeintlichen Notwendigkeit von „frischem Kapital“.

Inzwischen gibt es mehr als ausreichend Finanzmittel im System Schiene, wenn auch nicht so verteilt, wie es für die Überlebensfähigkeit der Akteure sein müsste. Die Aufgabenträger erhalten seit 2015 deutlich mehr Geld vom Bund, haben aber auch von der Einführung des Eisenbahnregulierungsgesetzes profitiert, indem die Kosten für die Infrastrukturnutzung gedämpft wurde. Ebenso wurden Ausschreibungsersparnisse nach und nach liquiditätswirksam.

Dennoch heißt auch das nicht, dass die gesamte Branche profitieren kann, wenn im Gegenteil zahlreiche Verkehrsunternehmen unter steigenden Belastungen ächzen und in einem Fall sogar ein Schutzschirmverfahren eingeleitet werden musste, eine besondere Form der Insolvenz. Wie gut der Wettbewerb tatsächlich noch funktioniert, werden wir bei den nächsten Ausschreibungen sehen: Stehen die Bieter dann noch Schlange oder sind die Akteure, die wir alle brauchen, um die Eisenbahn auf einem guten Niveau zu halten, so ausgepresst, dass sie sich die Teilnahme an Neuausschreibungen nicht mehr leisten können?

Es gab Zeiten, da wollten große kommunale Verkehrsunternehmen in den SPNV expandieren. Man hat das mit ordnungspolitischen Mitteln verhindert, indem man bei solchen Unternehmen, die aus geschlossenen Märkten heraus agieren, die Teilnahme an Wettbewerbsverfahren unterbindet. Damit fehlen eine ganze Reihe potentieller Akteure, die definitiv das Know-How hätten, auch bei der großen Eisenbahn mitzuspielen.

Auch die europäischen Staatseisenbahnen verlieren zunehmend die Lust an einem deutschen Eisenbahnmarkt, in dem einerseits viel Geld liegt, andererseits aber selbst bei nachgewiesenen Kostensteigerungen die Möglichkeit verwehrt wird, Risiken gerecht auf alle Schultern zu verteilen. Dabei ist die Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Wettbewerbsgeschehen, dass die deutsche Eisenbahn attraktiv ist für internationale Investoren.

Nicht die deutsche Infrastruktur gehört privatisiert, sondern private Akteure sollten angelockt werden, um hier das Geschehen wirtschaftlicher und besser zu machen. Hier sind tatsächlich alle gefordert, damit wir nicht in fünf oder zehn Jahren da aufwachen, wo wir mit der Abschaffung der alten Behördenbahn seit den 1990er Jahren mühsam weggekommen sind.

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