Monopolkommission stellt neues Sektorgutachten vor
29.07.21 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
In ihrem aktuellen Sektorgutachten beleuchtet die Monopolkommission die bisherigen Versäumnisse im deutschen Eisenbahnmarkt. Zugleich benennt sie Maßnahmen, die nach der Bundestagswahl unverzüglich angegangen werden müssen, um die positiven Auswirkungen des Wettbewerbs auf der Schiene zu stützen und zu stärken: Unternehmensübergreifende Förderung der Schiene statt Eigenkapitalerhöhung für die DB AG, Kündigung der Beherrschungsverträge im DB-Konzern, separate Dividendenzahlung von Infrastruktur- und Transporttöchtern der DB an den Eigentümer Bund, wettbewerbliche Organisation des Deutschlandtakts und die Freigabe von Daten für Tarif und Vertrieb.
„Viele der seit langem von mofair kritisierten Aspekte sind im Gutachten enthalten. Umso wichtiger ist es nun, dass die Bundesregierung in der kommenden Legislaturperiode die richtigen Schlüsse zieht und die Vorschläge ihres eigenen, unabhängigen Beratungsgremiums schnellstmöglich umsetzt. Nur so kann der Schienensektor weiter gestärkt werden und einen positiven Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten“, sagt Mofair-Präsident Tobias Heinemann.
Nach § 78 des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) erstellt die Monopolkommission alle zwei Jahre ein Gutachten, in dem sie die Entwicklung des Wettbewerbs auf der Schiene bewertet. Sie hat dazu die Expertise einer Reihe von Verbänden und Institutionen einbezogen, darunter auch die von Mofair.
Im jetzt veröffentlichten, achten Sektorgutachten kritisiert die Monopolkommission besonders die wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen der Bundespolitik im Zuge des Klimaschutzpakets und der Covid-19-Pandemie: Insgesamt standen bis zu 16 Milliarden Euro voraussetzungslose und durch den Bund nicht steuerbarere Eigenkapitalerhöhungen im Raum: Elf Milliarden Euro aus dem Klimaschutzpaket im Herbst 2019; fünf MilliardenEuro für die Coronafolgen – die Monopolkommission spricht missverständlich „nur“ von 7,5 Milliarden Euro.
Zwar sank die Summe zwischenzeitlich unter anderem durch eine Umwidmung von Mitteln für eine befristete Trassenpreissenkung, das Grundproblem der Marktverzerrung aber bleibt. Auch die stetig steigende Verschuldung der DB AG von inzwischen mehr als 29 Milliarden Euro ist in diesem Zusammenhang problematisch. Dass diese Summen den Wettbewerb zwingend verzerren müssen, beschreibt auch ein Gutachten von Thomas Ehrmann im Auftrag von NEE und Mofair.
Die Monopolkommission empfiehlt ein umfangreiches Maßnahmenpaket, um die Vielfalt im Eisenbahnsektor zu erhalten und, besonders im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV), weiter zu steigern. Finanzhilfen ohne Auflagen und ohne weitere Kontrolle, die in letzter Konsequenz dazu führen, dass die Trassenpreise steigen, sind abzulehnen.
Mofair empfiehlt stattdessen, wettbewerbsneutrale Lösungen wie etwa einen überjährigen Infrastrukturfonds. Wie die Monopolkommission anmerkt, ist der integrierte Gesamtkonzern nicht zuletzt aus unionsrechtlicher und ordnungspolitischer Perspektive kritisch zu sehen. Mofair fordert die Fusion der DB-Monopolbereiche und ihre Überführung in direkten Bundesbesitz. Schnellstmöglich sollten zudem die Beherrschungsverträge zwischen DB-Konzern und DB-Netz gekündigt werden, ebenso wie die Ergebnisabführungsverträge, welche die Gefahr bergen, dass Finanzmittel von der Infrastruktur zu den Verkehrsunternehmen verteilt werden.
Auf jeden Fall müssen – wie durch die Monopolkommission gefordert – die Dividendenzahlungen von Infrastruktur- und Transportgesellschaften an den Bund voneinander getrennt werden und die Gefahr überhöhter konzerninterner Verrechnungspreise beachtet werden. Schließlich muss es eine Karenzzeit beim Wechsel von Führungskräften zwischen Infrastruktur- und Transportbereich geben. Fünf Jahre nach seiner Einführung sind leider viele Ziele des ERegG noch nicht erreicht.
Die kürzliche Änderung des Gesetzes ist dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen, wie auch der Verkehrsausschuss des Bundestags feststellen musste. Weitere Reformen – unter stetiger Einbeziehung der gesamten Branche – sind aus Sicht Mofairs unumgänglich. Es sind Maßnahmen erforderlich, die auch Wettbewerbern den Zugriff auf attraktive Trassen ermöglichen. Ebenso sollten die Wettbewerber die Möglichkeit erhalten, schnelles – und damit teures – Rollmaterial zu ähnlichen Konditionen zu erhalten wie der Staatskonzern DB AG, der vollständig im Bundesbesitz ist.