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Mofair: Branchenvielfalt erhalten

15.07.21 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Angesichts des Schutzschirmverfahrens, in das sich die Berliner Abellio GmbH begeben hat – einer der größten Akteure im deutschen Eisenbahnverkehr jenseits der DB AG – warnt der Verband Mofair vor einer Bedrohung des Wettbewerbs auf der Schiene.

„In den vergangenen Jahren hat die Zahl der ‚notleidenden‘ Verkehrsverträge deutlich zugenommen. Das gilt für alle Marktteilnehmer – nicht nur für die Wettbewerbsbahnen, sondern auch für DB Regio. Zumindest dort, wo sie sich ebenfalls im Wettbewerb behaupten muss. Die sinkende Auskömmlichkeit mancher Verkehrsverträge ist aber nicht die Schuld der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Vielmehr müssen sie noch immer Folgen schlechter Infrastruktur und schlechten Baustellenmanagements der DB Netz ausbaden“, sagt Verbandspräsident Tobias Heinemann.

Er fährt fort: „Auf unvorhersehbare Marktentwicklungen wie explodierende Personalkosten allein mit einem pacta sunt servanda zu antworten, wie es viele Aufgabenträger tun, reicht nicht mehr aus. Wenn Verkehrsverträge nicht flexibler gehandhabt werden, werden sich immer weniger Unternehmen auf dem SPNV-Markt engagieren. Dann droht die Rückkehr zum alten Monopol.“

Seitdem die Eisenbahnreform Mitte der 1990er Jahre im SPNV das Besteller-Ersteller-Prinzip etabliert hat, konnten die Länder bzw. die von ihnen beauftragten Aufgabenträgerorganisationen Verkehrsleistungen im Wettbewerb vergeben. Zunächst zögerlich, dann immer konsequenter machten sie davon Gebrauch. Das Abellio-Urteil des Bundesgerichtshofs (2011) stellte klar, dass Verkehrsverträge immer im Wettbewerb zu vergeben sind.

Davon gibt es nur noch kurz befristete und eng begrenzte Ausnahmen. Der Wettbewerb machte den SPNV bunter – heute leisten viele Wettbewerbsbahnen gemeinsam etwa vierzig Prozent des Betriebs, knappe sechzig Prozent werden von den Töchtern des DB-Konzerns erbracht. Er machte ihn aber vor allem deutlich attraktiver: Moderne, klimatisierte Fahrzeuge erhielten ebenso Einzug wie deutlich mehr Serviceorientierung.

Ohne die so genannte „Wettbewerbsdividende“, die durch den Wettbewerb realisiert werden konnte, wäre die Ausweitung des Angebots auf inzwischen mehr als 700 Millionen Zugkilometer pro Jahr undenkbar, weil nicht finanzierbar gewesen. Und den Fahrgästen gefällt es: Kundenzufriedenheitsbefragungen der Aufgabenträger belegen, dass gerade die Wettbewerbsbahnen im Durchschnitt besser bewertet werden als die DB-Unternehmen.

Gleichzeitig werden die Netze der DB Regio, die diese im Wettbewerb errungen hat, besser bewertet als solche, die noch direkt an sie vergeben wurden. Mofair hat dabei drei Herausforderungen erkannt: Die Wettbewerbsintensität bei Vergabeverfahren war besonders hoch. Sehr viele Bieter konkurrierten um Vergabenetze. Knappe Kalkulationen und Margen waren die Folge.

Die Wertschöpfungskette wurde verkürzt: Beispielsweise wurden der Fahrausweisvertrieb, die Fahrzeugbeschaffung, die Fahrzeugwartung oder alles gleichzeitig nicht an den jeweiligen Betreiber, sondern an separate Dienstleister vergeben. Ein Ausgleich der Risiken des einen Kettenglieds mit den Chancen eines anderen war nicht mehr möglich. Parallel dazu wurden die Vorgaben der Aufgabenträger immer detaillierter.

Die Möglichkeiten der einzelnen EVU, sich von den Mitbewerbern positiv abzusetzen, wurden entsprechend geschmälert. Letztlich wurde immer mehr der Preis als „hartes“ Vergabekriterium allein entscheidend. Der Zustand der Infrastruktur (Gleise, Weichen, Signale, Bahnübergänge) war und ist noch schlechter als vermutet. Zusätzliche Bundesmittel für die Sanierung des Netzes schaffen zwar mittelfristig Abhilfe, aber schlecht gemanagte Baustellen im Hier und Jetzt sorgen für Verspätungen und Zugausfälle.

Dafür werden den EVU die Leistungsentgelte gekürzt, obwohl sie das Baugeschehen nicht beeinflussen können. In Tarifverhandlungen konnten die Gewerkschaften viele Erfolge für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzielen, die den Personalbedarf der EVU deutlich erhöhen, wie tarifliche Wahlmodelle zwischen mehr Gehalt und mehr Freizeit.

en Mehrbedarf an Personalen aber kann der Arbeitsmarkt längst nicht mehr erfüllen. Zusätzliche Ausbildungskosten der EVU für neue Personale gingen durch die Decke. Diese Herausforderungen sind nicht spezifisch für die Wettbewerbsbahnen, sondern betreffen alle Marktteilnehmer. DB Regio indes kann als Bundesunternehmen dauerhaft mit öffentlicher Unterstützung rechnen.

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