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Marktdruck erhalten, ruinösen Wettbewerb vermeiden

15.07.21 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Um zu verstehen, wieso die vor etwa zehn Jahren vergebenen Verkehrsverträge anfangs schwarze und nun rote Zahlen schreiben, muss man sie ein wenig zeitgeschichtlich einordnen. Wo stand die Eisenbahnbranche vor zehn Jahren? Ende der Nullerjahre wurden im Rahmen des Koch-Steinbrück-Papiers die Regionalisierungsgelder gesenkt.

Das ist nicht ganz richtig, im Grunde flossen die gleichen Länder vom Bund an die Länder, aber die Zweckbindung war weg und die Länder dachten gar nicht dran, die Schiene zu unterstützen. Gleichzeitig hatte man aber noch viele Direktvergaben zugunsten von DB Regio, die kurz nach der Jahrtausendwende überall vergeben worden sind.

Auf einmal waren die Aufgabenträger notleidend, sie konnte ihre eigenen Verträge nicht mehr finanzieren. Abbestellungen und Leistungskürzungen waren überall die Folge. Es wurden Netze ausgeschrieben, aber mit dem Gebot, so billig wie möglich. Ein Unternehmen, das im Jahr 2011 zehn Cent pro Zugkilometer für Ausbildungskosten kalkuliert hätte, das wäre nicht berücksichtigt worden.

Die Aufgabenträger wollten aufgrund ihrer damals schlechten Situation, dass auszubildende neue Lokomotivführer andere Finanzierungsquellen mitbringen, Bildungsgutscheine vom Arbeitsamt etwa. Das ist aus mehreren Gründen nicht mehr möglich: Zum einen ist die Arbeitslosigkeit massiv gesunken, sodass das Bewerberpotential unter Erwerbslosen längst nicht mehr so groß ist, zum anderen ist auch an der Arbeitslosenförderung erheblich gespart worden.

Die Kosten also steigen – Kosten, von denen die Aufgabenträger wollten, dass sie extrem gering oder gar mit Null kalkuliert werden. Ähnlich sieht es mit den Lohnsteigerungen aus: Natürlich kann man sagen, dass die Tarifverträge mit der GDL Privatvergnügen seien, aber wie soll man denn sonst überhaupt Personal finden? Und welcher Aufgabenträger hat Interesse an langen Streiks, wie sie ab August auch wieder bei DB Regio drohen?

Die Aufgabenträger scheinen ja zu wissen, dass man was verändern muss, sonst gäbe es keine Konzepte wie Verkehrsvertrag 2.0, die dafür sorgen sollen, dass nicht durch den Betreiber zu verantwortende Probleme auch nicht mehr auf diesen abgewälzt werden können. Auch ein Urteil des Bundesgerichtshofes von Anfang des Jahres nimmt DB Netz verstärkt in die Pflicht.

Jetzt muss man die laufenden Verträge entsprechend ändern. Wer sich dem verweigert, der wird bei künftigen Ausschreibungen auf einmal ohne Bieter dastehen. Dann hat man nur noch „die Bundesbahn“, die sich dann aber sehr schnell als alles andere als gemeinnützig entpuppen wird. Wie war das gleich? In der Wüste ist das Wasser eben teurer?

Und ohne Marktdruck ist auch der eine Betreiber nicht mehr gezwungen, auf die Qualität zu achten. Klar, der VDV hat noch vor ein paar Jahren gesagt, die Nutzerzufriedenheit sei irrelevant. Ob man das heute noch sieht oder nur anders formulieren würde, weiß ich nicht. Aber diese Vielfalt, dieser Wettbewerb, dieser Marktdruck auf der Schiene, der muss im Interesse der Endkunden erhalten bleiben.

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