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Immer mit offenen Karten gespielt

01.07.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Es war abzusehen, dass die Niederländer im deutschen Markt nicht pokern, sondern rational-kaufmännisch an die Sache herangehen: Wenn man sich nicht auf Änderungs- und Ergänzungsverträge einigen kann, die die defizitär gewordenen Verkehrsverträge wieder in die schwarzen Zahlen bringen, dann tritt man unter den staatlichen Schutzschirm.

Es heißt aber nicht, dass nur Abellio rote Zahlen schreibt, weil man sich bei der Angebotserstellung verkalkuliert hat, sondern allein im Bereich des nordrhein-westfälischen Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) gibt es vier große Marktakteure, die allesamt über Geld sprechen müssen, weil die rund um das Jahr 2010 abgeschlossenen Verkehrsverträge anfangs noch schwarze, jetzt aber rote Zahlen geschrieben haben.

Dabei bestehen vor allem Chancen für alle Seiten: Einerseits kann man sich ehrlich machen und Kosten erstatten, die man vor zehn Jahren nicht absehen konnte; natürlich nicht nur bei Abellio, sondern bei allen. So bleibt der Markt attraktiv und die Zahl der Bieter hoch. Auf der anderen Seite kann man auch solche Verkehrsverträge, bei denen keine Aussicht auf Besserung besteht, vorzeitig beenden.

Es besteht dann die Pflicht einer neuerlichen Ausschreibung. Hier können dann alle Bieter mit aktuellen Kosten kalkulieren, der Aufgabenträger kann und sollte aber auch die Bedingungen so verändern, dass man Risiken über einen Zeitraum von 15 Jahren nicht allein dem Betreiber aufbürdet, zumindest dann, wenn die Ursachen für Probleme nicht bei diesem zu suchen sind.

Jetzt kann man sagen, dass so ein Bieter sehr wohl hohe Ausbildungskosten kalkulieren muss. Wer kann sich schon drauf verlassen, dass die Ausbildungen über einen Zeitraum von 15 Jahren allesamt von externen Kostenträgern finanziert werden? Das ist sicherlich ein gutes Argument. Es stimmt aber auch, dass die rund um das Jahr 2010 selbst notleidenden Aufgabenträger mitnichten eine Ausbildungsquote vorgegeben hätten, sondern im Gegenteil: Die waren glücklich und zufrieden, wenn es billig wurde.

Und tatsächlich kamen die Vergaben, bei denen die Ausbildung von Lokomotivführern vorgegeben waren erst deutlich später. Die Aufgabenträger wollten also, dass man die Kosten extrem niedrig kalkuliert, vielleicht sogar mit Null Euro, weil man ja alles über Bildungsgutscheine des Arbeitsamtes machen kann.

Zumal es im Interesse aller ist, die Zahl der Bieter hochzuhalten. Man stelle sich einmal vor, ein Netz wird neu vergeben und keine Wettbewerbsbahn ist mehr interessiert. Natürlich wird DB Regio fahren aber das zu Preisen („in der Wüste ist das Wasser teurer“), dass manch einer sich die jetzige Diskussion zurückwünschen würde.

Überhaupt, all die, die meinen, der Wettbewerb sei gescheitert, irren sich. Denn die DB AG, die oft noch immer als „die Bundesbahn“ wahrgenommen wird, die ist nicht gemeinnützig und spielt auch nicht fair. Die nutzen eine Situation ohne Wettbewerbsdruck gnadenlos aus. Deshalb gilt es jetzt nach vorne zu gucken. Die ganze Branche muss sich nachhaltig neu aufstellen.

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