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Fahrzeuge für Jahrzehnte in aller Ruhe austesten

26.07.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass man für neue Schienenfahrzeuge zunächst einige Prototypen anschafft und Basis erster Erfahrungen dann in die Serienproduktion geht, ist sicherlich vernünftig und sollte Vorbild für manch andere Verkehrsunternehmen sein. Man kauft in Kassel eben nicht die vielfach zitierte Katze im Sack, sondern nimmt sich erst etwas Zeit, Vorserienmodelle zu betreiben, Erfahrungen zu sammeln und dann, erst wenn man die Kinderkrankheiten der neuen Züge erkannt hat, geht es in die Serienproduktion.

Auch im SPNV ist ein solches Vorgehen sinnvoll und gerade in Netzen, in denen man nicht vom Betreiber verlangt, Züge mitzubringen, ist die Anschaffung einiger Prototypen sicherlich eine Überlegung wert. Auch dass ein Aufgabenträger mehrere Optionen für weitere Züge offenhält, die abgerufen werden oder verfallen können, ist eine vernünftige Idee. So wie ja auch die großen Akteure unter den Verkehrsunternehmen Rahmenverträge über SPNV-Fahrzeuge ausschreiben, die je nach Vergabenetz abgerufen werden oder nicht.

Denn vergessen wir mal eins nicht: In den letzten Jahrzehnten hat man bei den Fahrzeuge zwar eine immer stärkere Spezifizierung erreicht und gefühlt hatte man zeitweise für jedes Vergabeobjekt eine eigene (Unter-)Baureihe, die Hersteller indes arbeiteten und arbeiten nach wie vor an einer Standardisierung.

Haben Sie gewusst, dass bereits in den 1970er Jahren die damals angeschafften Triebzüge der Wuppertaler Schwebebahn über weite Strecken baugleich waren mit denen der U-Bahnen in München und Nürnberg? Man kann nämlich Komponenten auch dann gemeinsam verbauen, wenn die Räder mal unten und mal oben sind. Überhaupt lassen sich sehr viel mehr Dinge standardisieren als man gemeinhin denkt.

Das ist der Weg, den man auch in der Eisenbahnbranche gehen muss, zumal man ja immer wieder hört, dass der Gebrauchtfahrzeugmarkt für Schienenfahrzeuge nicht funktionieren solle – zumindest nicht außerhalb des DB-Konzerns. Es wird also immer mal wieder Fälle geben, dass Züge trotz noch einiger potentieller Betriebsjahre nicht in ihren angestammten Netzen verbleiben

Eine maximale Standardisierung hilft da weiter, auch europaweit nach neuen Anschlussverwendungen zu suchen. Die Struktur ist nun einmal eine andere als im kommunalen ÖPNV, wo man staatliche Monopolunternehmen hat, von denen man weiß, dass sie auch in fünfzig und hundert Jahren noch ohne Marktdruck aktiv sein werden. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob eine Kommunalverwaltung, die zugleich Gesellschafter des Verkehrsunternehmens ist, für ein angemessenes Controlling genauso sorgen kann, wie ein öffentlicher Aufgabenträger.

Es ist aber festzustellen, dass eine weitere Liberalisierung, so vernünftig sie wäre, im Bereich der kommunalen Unternehmen nicht durchsetzbar ist und vermutlich auch nicht sein wird. Dort, wo man aber Wettbewerbserfolge erzielt hat, muss man diese fortschreiben und auch Dinge übernehmen, die in anderen, aber dennoch artverwandten Märkten stattfinden, wie die Anschaffung von Prototypen.

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