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Abellio: Schutzschirmverfahren eingeleitet

01.07.21 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Abellio GmbH hat die Einleitung eines Schutzschirmverfahrens beantragt. Diesem hat das Amtsgericht Berlin-Charlottenburg am gestrigen Mittwoch (30. Juni) entsprochen. Das Schutzschirmverfahren gibt Abellio die Möglichkeit, die aufgrund externer Kostensteigerungen notwendig gewordenen Restrukturierungsmaßnahmen eigenverantwortlich anzugehen.

„Der Schritt unter den Schutzschirm ist nach über anderthalb Jahren intensiver Verhandlungen mit den regionalen Aufgabenträgern die beste Option, den Unternehmenserfolg langfristig zu sichern“, sagte Michiel Noy, CEO der Abellio GmbH in Berlin. Der Bahnbetrieb geht normal weiter. Abellio ist in Mitteldeutschland, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen tätig. In den verschiedenen Netzen wurde man in den letzten Jahren mehrfach Qualitätssieger.

Unabhängig von den Folgen der Corona-Pandemie belasten in der Struktur des deutschen SPNV verankerte Gründe die Akteure auf der Schiene. Wie andere Eisenbahnverkehrsunternehmen auch, leidet Abellio unter massiven Kostenentwicklungen, die nicht ausreichend von den einzelnen Verkehrsverträgen gedeckt sind. Als eines der größten EVU in Deutschland bekommt Abellio die Auswirkungen der extern verursachten Kostensteigerungen besonders deutlich zu spüren.

Es handelt sich dabei um Kosten für höhere Personalbedarfe als Ergebnis neuer Tarifvereinbarungen sowie gestiegene Rekrutierungs- und Ausbildungskosten angesichts zusätzlichen Bedarfs an Zugpersonal. Hinzukommen erhebliche Baustellenfolgekosten durch umfangreiche Investitionen in das Schienennetz (z.B. zusätzliche Schienenersatzverkehre und Strafzahlungen aufgrund nicht erzielter Pünktlichkeitswerte bzw. Zugausfälle) sowie geltende Pönaleregelungen für Umstände, die von den Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht beeinflusst werden können (z.B. Gleisarbeiten, stark befahrene Gleise oder Extremwetterlagen).

Diese Mehrkosten waren weder bei Angebotsabgabe noch bei Unterzeichnung der einzelnen Verkehrsverträge vorhersehbar – für keine der Vertragsparteien. Abellio hat aufgrund dieser Kostensteigerungen in den vergangenen Jahren Verluste erlitten, die seitens des niederländischen Gesellschafters Abellio Transport Holding ausgeglichen wurden. Eine dauerhafte Kompensation der Defizite in den langjährig laufenden Verkehrsverträgen durch den Abellio-Mutterkonzern ist jedoch nicht tragbar.

Nederlandse Spoorwegen unterstützt die Bestrebungen, langfristig wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die einzelnen Netze zu vereinbaren. Um verlässliche Mechanismen zur Kompensation der unvorhersehbaren Kostenfaktoren zu fixieren, hat Abellio frühzeitig Gespräche mit den regionalen Aufgabenträgern aufgenommen. Nach mehr als anderthalb Jahren intensiver, vertrauensvoll geführter Gespräche muss nun konstatiert werden, dass eine Einigung – auch aufgrund vertrags-, vergabe-, beihilfe- und haushaltsrechtlicher Hürden – nicht erzielt werden konnte.

CEO Michiel Noy versicherte mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit: „Auch im Schutzschirmverfahren bleiben wir mit unseren Aufgabenträgern im engen Dialog, um gemeinsam ein nachhaltiges Fundament für einen für alle Akteure verlässlichen Schienenpersonennahverkehr zu legen.“ Die rund 3.100 Beschäftigten von Abellio in Deutschland wurden gestern über die Einleitung von Schutzschirmverfahren für die jeweiligen Gesellschaften unterrichtet.

In dem Schutzschirmverfahren wird Abellio von erfahrenen Sanierungs- und Restrukturierungs-Experten der Kanzlei Flöther und Wissing unterstützt. „Abellio verfügt über eine gute Perspektive, sich mit geeigneten Restrukturierungsmaßnahmen zu sanieren. Wir sind zuversichtlich, im Rahmen des Verfahrens eine nachhaltige Lösung für das Unternehmen zu erreichen“, sagte der Generalbevollmächtigte Lucas Flöther

Innerhalb der kommenden Wochen wird das Restrukturierungsteam in Abstimmung mit dem vorläufigen Gläubigerausschuss einen Plan erarbeiten, wie das Unternehmen zukunftsfähig aufgestellt werden kann. Rund neun Monate soll die Phase der Neuausrichtung dauern. Während der gesamten Phase bleibt die unternehmerische Verantwortung in den Händen der Geschäftsführung um CEO Michiel Noy.

„Dass das Management weiterhin das Heft des Handelns in der Hand behält, ist nur in jenen Sanierungsfällen möglich, in denen Unternehmen frühzeitig selbst tätig werden und es genügend Handlungsspielraum für eine Lösung gibt. Beides ist bei Abellio der Fall“, so Flöther.

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