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Bundesweites Reaktivierungsprogramm vorgestellt

28.06.21 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die DB Netz AG wird im unter Anleitung der Politik und der Aufgabenträger insgesamt zwanzig Strecken mit einer Länge von 245 Kilometern für den Bahnbetrieb reaktivieren. Bei den Strecken handelt es sich um einen ersten Teil zuvor stillgelegter Trassen, auf denen künftig wieder Personen- oder Güterverkehr stattfinden soll. Ein Expertenteam der DB AG hatte in den vergangenen Monaten ein Streckenportfolio in ganz Deutschland mit insgesamt rund 1.300 Kilometern Länge ermittelt, für das verkehrliches Potenzial besteht. Bei einem Großteil lohnt sich bei Abwägung von Kosten und Nutzen die Wiederinbetriebnahme.

Jens Bergmann, Vorstand Infrastrukturplanung und projekte der DB Netz: „Versprochen, gehalten: Gemeinsam mit den Ländern und Aufgabenträgern erwecken wir stillgelegte Strecken zu neuem Leben. Bundesweit gehen wir zunächst 20 Strecken an, in den kommenden Jahren folgen weitere Verbindungen. Unser Ziel: Wir wollen mehr Menschen für die Bahn gewinnen, mehr Güter auf die Schiene bringen. Jeder Kilometer Gleis ist aktiver Klimaschutz.“

Die Analyse und Bewertung der potenziellen Strecken erfolgten im engen Austausch mit den Partnern. DB Netz berät weiterhin bei Machbarkeitsstudien und Planung – auch bei der Wiederbelebung von Strecken, die anderen gehören. Diese machen knapp zwei Drittel der identifizierten Strecken aus.

Dirk Flege, Geschäftsführer Allianz pro Schiene: „Die Reaktivierung stillgelegter Strecken steht für das Comeback der Schiene in der Fläche und damit für einen klimafreundlicheren Verkehrsmix. Die nächste Bundesregierung ist gefordert, die Hürden für weitere Reaktivierungen zu senken. Die bisherigen Bewertungskriterien ignorieren die sozialen Aspekte einer Schienenanbindung und berücksichtigen zu wenig die Umweltvorteile des Schienenverkehrs.“

Zufrieden zeigt sich auch Martin Henke, Eisenbahn-Geschäftsführer im VDV: „Die Entscheidung der DB AG, nach Jahrzehnten des Rückzuges wieder einen Schritt in die Erschließung der Fläche und damit in die Expansion des Netzes zu gehen, ist historisch. Die Bundesregierung hat dafür mit dem neuen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gute Bedingungen geschaffen, muss nun aber auch die veralteten Bedingungen der ‚Standardisierten Bewertung‘ solcher Projekte anpassen.“

Lob kommt auch aus der Politik. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Bundesinnenminister Horst Seehofer (beide CSU) begrüßen die Ergebnisse. Ziel der Bundesregierung ist, bis 2030 die Zahl der Fahrgäste auf der Schiene zu verdoppeln und den Marktanteil im Schienengüterverkehr deutlich zu erhöhen. Zugleich sollen gleichwertige Lebensverhältnisse im urbanen und ländlichen Raum in ganz Deutschland geschaffen werden. Durch die Reaktivierung von Bahnstrecken können Impulse für den ländlichen Raum gesetzt und Stadt-Umland-Gebiete besser erschlossen werden. Der Bund hat daher für die Reaktivierung von Bahnstrecken in dieser Legislaturperiode wichtige finanzielle und rechtliche Voraussetzungen geschaffen.

Scheuer: „Um unsere Klimaziele zu erreichen, brauchen wir flächendeckend eine starke Schiene. Auch das Reaktivieren von Bahnstrecken kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Der Bund stellt den Ländern Mittel in Rekordhöhe bereit, mit denen sie in die Infrastruktur investieren und den Nahverkehr finanzieren können. Damit ermöglicht der Bund, Strecken wieder in Betrieb zu nehmen, wenn die Konzepte tragfähig und wirtschaftlich sind. Ich begrüße, dass die Deutsche Bahn und ihre Partner zusammen mit dem Bund hierfür sehr konkrete Wege aufzeigen.“

Streckenstillegungen erfolgten in der Vergangenheit im Wesentlichen aus betriebswirtschaftlichen Gründen, insbesondere wenn zu wenig Fahrgäste die Angebote nutzten. Zur Reaktivierung müssen die Länder prüfen, ob es vor Ort Bedarf für neue Verkehrsangebote gibt und wie die zu reaktivierende Strecke in ein vorhandenes Mobilitätskonzept integriert werden kann.

Seehofer bekräftigt dies aus heimatpolitischer Perspektive: „Gute Bahnverbindungen sind unverzichtbar für Mobilität, insbesondere in ländlichen Regionen. Die Wiederbelebung stillgelegter Bahnstrecken bringt Stadt und Land wieder näher zusammen. Das ist gelebte Heimatpolitik, damit die Menschen auf Dauer dort leben können, wo sie leben wollen.“ Der Bund unterstützt die Reaktivierungen durch steigende Regionalisierungsgelder, die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sowie durch das GVFG. Die konkrete Ausgestaltung muss allerdings durch die Verantwortlichen vor Ort erfolgen.

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