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Rationalität auch in der Pandemie

17.05.21 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Finanzierung öffentlicher Verkehrsmittel war seit den 1990er Jahren stets so angelegt, dass auch ein steigender bzw. stabil hoher Kostendeckungsgrad eine wichtige Säule ist. Die Kombination aus steigenden Fahrpreisen und steigenden Fahrgastzahlen hat über Jahrzehnte sichergestellt, dass öffentliche Verkehrsmittel sich in Teilen selbst finanzieren können. Das geht natürlich nicht vollständig, aber der Fahrpreis hat keine symbolische Bedeutung mehr, sondern er ist eine wichtige Finanzierungssäule.

Wenn jetzt die Fahrgastzahlen einbrechen und Zeitkarteninhaber ihre Abos kündigen – und sei es nur vorübergehend – dann bricht hier eine tragende Säule weg, die muss man auffangen. Auf keinen Fall kann man die Kommunen dort alleine lassen, denn deren Haushalte sind für pandemische Katastrophenfälle nicht ausgelegt.

Aber schon auf Landesebene sieht die Welt anders aus: Hier ist es zunächst einmal richtig, dass auch die Länder sich an den Kosten für die Krise beteiligen, denn wir sprechen hier von einer gesamtstaatlichen Aufgabe. Allerdings sind es gerade nicht die kleinen kommunalen Unternehmen, die mangels Reserven Unterstützung brauchen, sondern es wird offen von den Regionalisierungsgeldern gesprochen, die ohnehin jedes Jahr steigen und deren weiterer Steigung bis 2030 festgeschrieben ist.

Hier müssen wir aber über Dinge reden, über die die Branche nicht gerne reden möchte: Ende 2017 gab es bundesweit fast vier Milliarden Euro nicht verausgabter Regionalisierungsgelder – über alle 16 Länder verteilt. Neuere Zahlen lagen dem Bundesrechnungshof vergangenes Jahr auf eine Bundestagsanfrage der FDP-Fraktion nicht vor. Ich kann jeden Landtagsabgeordneten länder- und parteiübergreifend nur aufrufen: Fragen Sie Ihren Ministerpräsidenten und Ihren Verkehrsminister nach der aktuellen Situation in Ihrem Bundesland. Sind die finanziellen Rücklagen in den letzten knapp dreieinhalb Jahren angewachsen oder abgeschmolzen?

Falls angewachsen, wieso können Rücklagen nicht zur Bewältigung der Notlage genutzt werden? Falls geschrumpft: Wieso? Wurden mehr Leistungen bestellt als man aus dem laufenden Budget hat finanzieren können? Welche Rolle spielen Negativzinsen? Oder gab es gar Landeshaushaushalte, die das Geld gar nicht an die Aufgabenträger ausgezahlt haben, sondern einfach nur als offene Forderungen dieser gegen die Landesregierung verbuchen? Wir wissen es nicht und solange wir über die tatsächliche finanzielle Situation der Aufgabenträger in Deutschland nicht Bescheid wissen, ist es schwierig, über den Bedarf zusätzlicher öffentlicher Gelder urteilen zu können.

Es wird darüber hinaus auch eine Normalität nach der Krise geben, wenn die Fahrgastzahlen wieder steigen. Hier muss man den Finanzbedarf objektiv ermitteln und sich dann überlegen, wie viel Geld man für die Eisenbahn braucht und wieso Milliardenbeträge nicht verausgabt worden sind. Riesige Geldsummen zu bunkern ist jedenfalls nicht im Interesse einer qualitativ hochwertigen Eisenbahn. Und das steht doch wohl im Mittelpunkt.

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