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Mehr Elektrifizierung statt utopischer Visionen

15.04.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wissen Sie was Dihydrogenmonoxid ist? Ein ganz gefährlicher Stoff. Dieser findet sich als Hauptbestandteil in saurem Regen, verursacht im Zusammenhang mit elektrischer Spannung schwere Explosionen und die Einleitung in die Kanalisation ist noch immer nicht verboten. Und das obwohl gasförmiges DHMO schwerste Verbrennungen hervorrufen kann. Wovon also rede ich? Von Wasser. Dihydrogenmonoxid ist eine chemisch korrekte Bezeichnung für Wasser (H2O) und der wissenschaftliche Witz mit dem Dihydrogendmonoxid ist so alt, den wird wohl jeder von uns irgendwann mal im Chemieunterricht gehört haben.

Wasser ist das Verbrennungsprodukt des Wasserstoffs und auch dieser ist ein farb- und geruchloses Gas. Wenn also einer von „grünem Wasserstoff“ spricht, dann bewegt derjenige sich nicht mehr auf der Basis des Vernünftigen, des Rationalen und des Sachlichen, sondern hier wird eine politische Steuerung und Bewertung vorgenommen, die in eine bestimmte Richtung geht und nicht mehr das Für und Wider sorgfältig abwägt.

Wenn dann ein Hersteller wie Alstom nach Dampf-, Diesel- und Elektrotraktion nun die vierte große Traktionsart auf der Schiene feiert, dann mag da viel Pathos mitschwingen, aber wir sollten alle auf dem Boden bleiben. Wasserstofftraktion ist eine Technologie, die wie die Diesel- und Elektromotoren aus dem 19. Jahrhundert stammen. Die Dampfmaschine wurde bereits im 18. Jahrhundert erfunden, ist aber die Grundvoraussetzung für moderne Motoren aller Art und ohne diese wäre die industrielle Revolution nicht denkbar gewesen.

Doch aus gutem Grund haben sich Wasserstoffantriebe nicht durchsetzen können, weil sie im Vergleich zu Elektro- oder Verbrennungsmotoren nicht konkurrenzfähig sind. Auch heute lassen sich vermeintliche „alternative Antriebe“ nur dann umsetzen, wenn es Sonderförderungen durch die öffentliche Hand gibt. Was die Eisenbahn tatsächlich in ganz Europa braucht wäre ein Elektrifizierungsprogramm in der Fläche.

Die Zeiten, dass ganze Landstriche nur mit Dieseltraktion bedient werden, weil man nie eine Oberleitung gebaut hat, sollten der Vergangenheit angehören. Natürlich gibt es immer noch kleine Teilabschnitte, auf denen es nicht möglich ist, Oberleitungen zu bauen. Das können Brücken sein, die der Last nicht standhalten oder Tunnel, die zu eng sind. Hier ist die Idee von Zügen, die auf elektrifizierten Abschnitten aus der Oberleitung nachladen können, die vernünftigste. Denn diese Fahrzeuge sind ohne politische Steuerung durchsetzbar.

Wir wissen nicht, ob es im Jahr 2025 oder 2030 noch irgendeine Wasserstoff-Agenda gibt. Wir wissen aber, dass die Technologien, die sich seit dem 19. Jahrhundert aus gutem Grund immer wieder durchgesetzt haben, auch in Zukunft auf dem Markt werden bestehen können. Das heißt nicht, dass die Eisenbahn als Inbegriff der Innovation nicht andere Technologien wissenschaftlich begleiten soll. Aber einen flächendeckenden Einstieg in die Wasserstofftraktion wird es nicht geben – weder auf der Schiene noch auf der Straße.

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