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Nicht alles mitmachen, was der Arbeitgeber wünscht

01.03.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wir alle kennen die Geschichte des Tarifeinheitsgesetzes: Dieses maßgeblich von der SPD vorangetriebene Vorhaben, also genau der Partei, deren Eisenbahnpolitik traditionell direkt in der EVG gemacht wird, hat sich von Anfang an gegen die GDL gerichtet. Es sollte aber auch generell kleinere Spezialgewerkschaften benachteiligen und solche DGB-Gewerkschaften bevorteilen, wie wie Verdi oder IG-Metall in ihrer jetzigen Form durch zahlreiche Fusionen entstanden sind.

Und während seit den 1990er Jahren im DGB immer größere Gewerkschaften entstanden sind, die ganz unterschiedliche Berufsgruppen unter einem Dach vereinen, ging man im DBB, zu dem auch die GDL gehört, den anderen Weg: Die Spartengewerkschaften wurden immer schlagkräftiger. Als vor einigen Jahren immer mehr Busfahrer in der Gewerkschaft Verdi keine angemessene Vertretung mehr gesehen haben, haben diese in größerer Zahl versucht, der GDL beizutreten.

In manchen GDL-Bezirken hat man diese aufgenommen, in anderen hat man sie auf die Gewerkschaft Kommunale Beamte und Angestellte (Komba) verwiesen. Da ein Busfahrer aber weder mit einem Lokomotivführer noch mit einem Rathausmitarbeiter ernsthaft vergleichbar ist, hat man sich später entschlossen, die Nahverkehrsgewerkschaft zu gründen: Hochspezialisiert auf bestimmte Berufsgruppen kann man Tarifverträge vereinbaren, die nicht alles mögliche abdecken müssen, sondern wirklich spezialisiert sind.

Und was ein Tarifabschluss mit der GDL wert ist, sieht man an zahlreichen Stellenanzeigen, die es in der Branche immer wieder gibt: Haben Sie schonmal gesehen, dass ein Unternehmen damit wirbt, Tarifpartner der EVG zu sein? Ich nicht. Und tatsächlich weisen viele stolz darauf hin, dass man Tarifverträge der GDL anwendet, allenfalls dass man mit beiden Gewerkschaften Tarifverträge hat.

So unangenehm die GDL ja im Vergleich zur anderen Eisenbahnergewerkschaft sein mag, so wertvoll ist ein zustandegekommener Tarifabschluss. Und wieso die DB AG die GDL jetzt in die Nähe sogenannter „Corona-Leugner“ rückt, kann man nun gar nicht mehr rational erklären. Die DB AG hat einen ausgesprochen hohen Personalbedarf und wird in den kommenden Jahrzehnten mehr Leute einstellen müssen als alle anderen Branchenakteure.

Die Altersstruktur im Konzern spricht für sich. Natürlich haben auch Wettbewerber auf der Schiene ganz massiv damit zu tun, dass die Babyboomer, die zwischen dem Wirtschaftswunder und dem Pillenknick geboren wurden, in großer Zahl in den Ruhestand geben, aber die DB AG ist da ganz besonders betroffen.

Wenn die GDL sagt, dass man hier viele Neueinstellungen braucht und keinen statt eines Sanierungstarifvertrag, dann ist das nicht so einfach von der Hand zu weisen. Im Gegenteil: Die DB AG muss zusehen, dass sie Leute kriegt. Hier braucht man keine Beschäftigungssicherungen, das ist angesichts der Situation in der Branche und im Konzern nicht angezeigt. Es ist also verständlich, dass die GDL nicht alles mitmacht, was die DB AG wünscht.

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