Konflikte zwischen DB AG und GDL gehen weiter
01.03.21 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
Der Streit zwischen der Deutschen Bahn AG und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auf der einen sowie der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) auf der anderen Seite eskaliert weiter. Aktuell geht es um die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes und um die Frage, welche Berufsgruppe im Konzern von welcher Gewerkschaft tarifiert wird. Dies festzustellen soll nach dem Vorschlag der DB AG über ein notarielles Verfahren geschehen, an dem die GDL jedoch nicht teilnehmen möchte.
Die DB AG hatte beide Gewerkschaften zu diesem Verfahren aufgerufen, um über einen unabhängigen Notar transparent und fair die Mehrheitsverhältnisse in ihren Wahlbetrieben zu bestimmen. Der Arbeitgeber darf keinen Einblick in die Mitgliederlisten der Gewerkschaften haben. Er kann allerdings Arbeitnehmerlisten an Notare senden, die wiederum diese Listen mit von den Gewerkschaften eingereichten Mitgliederlisten vergleichen würden.
Die GDL lehnt diese Vorgehensweise aus unterschiedlichen Gründen ab. So ist § 4a TVG nach Überzeugung nicht nur der GDL, sondern auch einer Vielzahl von Rechtswissenschaftlern verfassungswidrig und daher nicht anwendbar. Eine europarechtliche Überprüfung im Rahmen der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängigen Menschenrechtsbeschwerde, unter anderem auch der GDL, steht bisher noch aus.
Unabhängig davon sprechen weitere Gründe gegen die Anwendung. So liegt derzeit noch keine § 4a TVG auslösende Tarifkollision vor. Der Paragraf kann nämlich erst nach Abschluss eines kollidierenden Tarifvertrages eintreten und nicht zum 1. Januar 2021. Doch die GDL hat bisher weder einen Tarifabschluss erzielt, noch hat sie Forderungen gestellt.
Die GDL-Tarifverträge gelten noch bis 28. Februar 2021. Ein Tarifvertrag der GDL steht somit in näherer Zukunft nicht in Aussicht. Für Berufsgruppen, für die sowohl die GDL als auch die EVG Tarifverträge abgeschlossen haben, findet künftig nur noch der Tarifvertrag jener Gewerkschaft, die im jeweiligen Betrieb der DB AG die meisten Mitglieder hat, Anwendung.
Allerdings haben die Arbeitnehmer nach Überzeugung der GDL auch zukünftig Anspruch auf die Anwendung aller im Betrieb gültigen Tarifverträge. Dies ist ihnen durch ihre Arbeitsverträge garantiert. Außerdem berücksichtigen andere Tarifverträge die Interessen des Zugpersonals nicht „ernsthaft und wirksam“, wie es § 4a Abs. 2 TVG fordert. Schon aus diesem Grund bleiben die GDL-Tarifverträge gültig. Ursache dafür ist das Tarifeinheitsgesetz, das seit Anfang des Jahres bei der DB AG gilt.
DB-Personalvorstand Martin Seiler: „Die GDL macht es uns bewusst schwerer, das Gesetz umzusetzen, das uns der Gesetzgeber vorgegeben hat. Konflikt statt Kooperation hilft weder den Beschäftigten noch den Betrieben.“ Die Gewerkschaften waren aufgerufen, dem notariellen Verfahren bis zum 22. Februar zuzustimmen. Die GDL hat jedoch abgelehnt, ihre Mitgliederliste gegenüber einem Notar offenzulegen. Seiler: „Damit setzt die GDL ihr Spiel auf Zeit ein weiteres Mal fort.“
Außerdem wirft Martin Seiler der GDL vor, die „Corona-Schäden“ zu „leugnen“. Das wird u.a. damit begründet, dass die GDL dem sogenannten „Bündnis für unsere Bahn“ nicht beigetreten ist und nicht bereit ist, ein Corona-Tarifpaket zu verhandeln. Welchen Bezug das zum Tarifeinheitsgesetz hat, bleibt indes offen.
ie DB AG wird nun versuchen, das Gesetz auf Basis der ihr vorliegenden Daten umzusetzen. Das TEG wurde 2015 beschlossen, um Tarifkollisionen in einem Betrieb aufzulösen. Davon sind bei der Bahn diejenigen Berufsgruppen betroffen, für die sowohl die EVG als auch die GDL Tarifverträge verhandeln. Das sind zum Beispiel Lokführer und Zugbegleiter bei DB Regio, DB Fernverkehr und DB Cargo.
Die GDL indes kritisiert, die DB AG versuche, deren Tarifverträge zu umgehen und versuche stattdessen, die vermeintlich schlechteren EVG-Tarifverträge anzuwenden. Angesichts des hektischen Vorgehens der DB AG nimmt die GDL überdies zunehmenden Unmut und Verärgerung unter den Beschäftigten wahr.
„Damit muss Schluss sein“, so der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky: „Der Arbeitgeber muss aufhören, die Mitarbeiter des direkten Personals noch weiter zu verunsichern, sondern ihnen endlich die nötige Wertschätzung entgegenbringen. Der gesamte Vorgang zeigt wieder einmal deutlich auf, dass die starken Tarifverträge der GDL nötiger sind als je zuvor. Wir werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, damit dies auch weiterhin so bleibt.“