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Die Renaissance von Hartmut Mehdorns Bodenhansa

11.03.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wir alle sind uns einig, dass wir die Schiene so attraktiv gestalten wollen, dass mehr Menschen einsteigen. Oder etwa nicht? Manchmal habe ich das Gefühl, es gibt Akteure in dieser Branche, die werden zwar immer behaupten, dass sie die Schiene verbessern wollen, haben aber dafür keine anderen Konzepte als Autofahrer oder Fluggäste zu schikanieren: Autobahngebühren, höhere Flugsteuern und und und.

Dabei muss es doch das Ziel sein, dass die Leute umsteigen auf die Bahn und dafür müssen sie Gelegenheiten haben, einzusteigen. Von Berlin nach Brüssel in unter vier Stunden, von Amsterdam nach Rom ebenso schnell und was es da nicht alles für tolle Ideen gibt, die im Grunde nur eins zeigen: Hartmut Mehdorn ist glücklicherweise Vergangenheit, seine Bodenhansa-Ideologie scheint jedoch weiterhin vorhanden zu sein.

Wir fahren mit dem ICE in Köln los, halten nur einmal in Hannover und dann fahren wir durch bis Berlin, damit wir schön schnell sind und für jemanden, der im Ruhrgebiet lebt, ist der Düsseldorfer Flughafen auf einmal näher als der ICE-Zugangspunkt in Hannover oder Köln. Nicht umsonst fliegt Eurowings 14 mal am Tag von Düsseldorf nach Berlin und hat somit mit dafür gesorgt, dass die DB AG die Relation Rhein/Ruhr – Berlin alle halbe Stunde befahren will.

Konkurrenz belebt das Geschäft und von Dortmund nach Berlin braucht man auf der Schiene etwa dreieinhalb Stunden. Das ist bereits schnell und wenn sich jemand dann dafür entscheidet, dennoch lieber erst nach Düsseldorf zu fahren, um den Flieger nach Berlin zu nehmen, dann muss man sich fragen, ob das nicht an anderen Schwächen des SPFV jenseits der Fahrzeit liegt. Das könnten regelmäßige Verspätungen sein oder auch Probleme mit der Fahrzeugqualität.

Es wäre also ein Gebot der Stunde, die spezifischen Stärken des Verkehrsträgers Schiene zu nutzen. Diese liegen aber nun einmal auf Reiseweiten zwischen fünf und zweihundert, allenfalls bis zu vierhundert Kilometern. Das heißt aber auch, dass die Fahrt von Berlin nach Paris, von London nach Rom oder von Amsterdam nach Wien bereits nicht mehr Teil dieser spezifischen Stärke der Schiene ist.

Sicher hat der Nachtzug auf solchen Relationen nach wie vor Potential, das man in den letzten Jahren nicht ausreichend genutzt hat. Es ist daher sicher eine gute Sache, dass man nun eine europaweite Wiederkehr dieser Nachtzüge erlebt, nachdem die DB AG diese wegen fehlender Lukrativität weitgehend vom Gleis genommen hat. Das ist eine besondere Form des Verreisens auf der Schiene und sicher auch für Geschäftsreisende eine Alternative zum Frühflug, der morgens um 6 Uhr irgendwo losgeht und zum nächtlichen Aufstehen zwingt.

Das ist aber sicher nicht die klassische Stärke der Schiene, auch nicht des SPFV. Dabei geht ein vertakteter SPFV ja auch bei guten Einstiegsmöglichkeiten mitnichten langsam. Auch zwischen Hannover und Berlin fährt der ICE weit über 200 km/h – und das auch zurecht. Man muss vernünftige Wege finden und mit Verstand statt der Holzhammer-Methode an die Sache heran gehen.

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