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DB Netz drohen Regressforderungen

08.03.21 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Bundesgerichtshof (Az. XII ZR 29/20) hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass DB Netz AG Trassen für Nutzer des Schienennetzes nicht einfach irgendwann, sondern pünktlich zur Verfügung stellen muss. Gelingt dies dem Infrastrukturbetreiber nicht, haftet er für Folgeschäden der Verkehrsunternehmen. Das betrifft z. B. Pönalen für Verspätungen aus Verkehrsverträgen im Schienenpersonenverkehr.

Für den Verband der Wettbewerbsbahnen Mofair ist damit klar: Um Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe abzuwenden, muss die DB Netz AG ihre Prozesse viel stärker auf Qualität ausrichten. Nutznießer werden die Fahrgäste im Personenverkehr und die Verlader im Güterverkehr sein.

Jost Knebel, Mofair-Vizepräsident und Chef von Netinera Deutschland, Gesellschafter der klagenden Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft (ODEG): „Das ist eine gute Entscheidung für den Schienenverkehr in Deutschland. Wir Verkehrsunternehmen tun alles, um unsere Fahrgäste pünktlich ans Ziel zu bringen. Nun ist klar, dass DB Netz AG dazu verpflichtet ist, angemessene Voraussetzungen dafür zu schaffen.“

Christian Schreyer, Mofair-Präsident, ergänzt: „Die DB Netz AG muss nun ihre Strategie anpassen und Qualitätsmängel konsequenter angehen. Von der Politik erwarten wir hier weitere Unterstützung, darunter eine weitere Klarstellung im Eisenbahnregulierungsgesetz.“ Für die SPNV-Unternehmen sind Strafzahlungen wegen Unpünktlichkeit eine massive finanzielle Belastung.

Ein erheblicher Teil, im Einzelfall bis zu achtzig Prozent, entsteht aus mangelhafter Infrastruktur wie etwa defekten Weichen und Bahnübergängen, Langsamfahrstellen, aus schlecht gemanagten Baustellen und den sich daraus ergebenden Sekundäreffekten. Die DB Netz AG vertrat bisher den Standpunkt, dass sie Trassen zwar zur Verfügung stellen muss, aber nicht notwendigerweise pünktlich.

„Eine im Wirtschaftsleben einzigartige Haltung“, kommentiert Schreyer. Schließlich toleriere sie es ihrerseits nicht, wenn sich die Verkehrsunternehmen nicht an den Fahrplan hielten. Außerdem hatte DB Netz AG argumentiert, die entsprechenden Klauseln in den Verkehrsverträgen zwischen Aufgabenträgern und EVU seien rechtswidrig, und die EVU hätten die Verträge gar nicht eingehen dürfen.

Die DB Netz AG versuchte in den vergangenen Jahren immer wieder, ihre Verantwortung für eine gute Qualität des Netzes durch Änderungen in den Schienennetz-Benutzungsbedingungen (SNB, künftig NBN) noch weiter auf grobe Fahrlässigkeit zu reduzieren. Allerdings hatte das die Bundesnetzagentur nicht akzeptiert. Durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird DB Netz AG die NBN künftig deutlich nutzerfreundlicher ausgestalten müssen. Indirekt betroffen sind durch das Urteil viele andere laufende Gerichtsverfahren von Personen- und Güterverkehrsunternehmen gegen die DB Netz AG.

Über die konkreten Haftungssummen müssen jetzt die unteren Gerichte entscheiden. Mofair fordert seit langem entsprechende Rechtsänderungen im Eisenbahnregulierungsgesetz. „Leider hat das Bundesverkehrsministerium diese Forderungen bisher nicht aufgenommen“, beklagt Christian Schreyer, „Das Urteil des BGH ist ein guter Anlass, dieses nun im laufenden parlamentarischen Verfahren nachzuholen. Sollte die DB Netz nun versuchen, Schadensersatzzahlungen als Aufwand in die künftige Entgeltregulierung einzurechnen, muss das wirksam unterbunden werden.“

Ebenfalls erfreut zeigt man sich beim Fahrgastverband Pro Bahn. „Für die Fahrgäste bedeutet das eine zu erwartende Reduzierung der Ausfälle und somit eine Steigerung der Pünktlichkeit“, freut sich Lukas Iffländer, stellvertretender Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands. Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender, ergänzt: „Störungen und Ausfälle der Infrastruktur werden der DB Netz ab jetzt weh tun. Wenn, wie gestern zwischen Nürnberg und Erfurt, gleich zwei Stellwerke auf einmal ausfallen, wirkt sich dies zukünftig direkt auf den Gewinn aus.“

Das Urteil ist dabei ein guter Schritt, um unter den bestehenden Bedingungen die DB Netz zu einer zuverlässigkeitsorientierten Strategie zu motivieren. Besser wäre es aus Sicht von Pro Bahn aber, das Ziel der Gewinnerzielung aufzugeben und die Infrastruktursparten gemeinnützig zu betreiben – wobei man sich nicht zu der Frage äußert, ob dies eine bundesunmittelbare Behörde oder Unternehmen tun soll, oder ob die Infrastruktur unter dem Dach des DB-Konzerns verbleiben soll. Seit der Absage des Börsengangs ist diese Debatte weitgehend eingeschlafen.

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